BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 24

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Gerade strukturschwache Abwanderungsgemeinden geraten dann in eine Doppel-mühle. Ich denke da wieder an Orte in meinem eigenen Bezirk, zum Beispiel Eisenerz und Vordernberg. Einerseits haben sie wenig Arbeitsplätze, also kaum eigene Einnah-men, dafür aber oft freien und billigen Wohnraum. Dieser wird natürlich von Menschen in Anspruch genommen, die Mindestsicherung beziehen und ohnehin keinen Arbeits­platz haben. Auf der anderen Seite kämpfen diese Gemeinden mit der Überalterung und den enormen Pflegekosten. Derzeit ist es noch so, dass beispielsweise beim Sozialhilfeverband Leoben zwei Drittel des Gesamtbudgets in die stationäre Pflege fließen. Das sind enorme Belastungen, die auf die Gemeinden zukommen werden.

Jetzt komme ich wieder zum Ausgangspunkt zurück. Ich stelle mir die Frage: Sind das wirklich alles Chancen? Ist alles eine Chance, oder ist es nicht eigentlich eine Notwendigkeit? Ist das Reparieren von Versäumnissen Ihrer Vorgänger eine Chance, oder ist das nicht eigentlich unbedingt erforderlich?

Herr Bundesminister, so gesehen haben Sie die Chance, die Versäumnisse vergan­gener ÖVP-Minister zu reparieren. Molterer hat 2007 den letzten Finanzausgleich verhandelt (Ruf bei der ÖVP: Vergiss nicht Grasser!) und die Wünsche der Länder weitgehend befriedigt. Deshalb ist das damals auch relativ gut und rasch zu Ende gegangen. Fekter und Spindelegger haben sich nicht drübergetraut, sondern so unge­fähr gesagt: Na ja, das schreiben wir fort.

Jetzt haben Sie dankenswerterweise den Willen geäußert, diese Versäumnisse der Vergangenheit zu beseitigen. Diese Chance liegt bei Ihnen. Ich bin auch schon ge­spannt auf Ihre Ausführungen. Ich wünsche Ihnen jedenfalls bei dieser Mammutauf­gabe viel Glück und Erfolg! (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ.)

9.57


Präsident Gottfried Kneifel: Frau Abgeordnete Mag. Schreyer ist nun zu Wort ge­meldet. Ich erteile es ihr.

 


9.57.36

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher hier und zu Hause! Ich sehe den Finanzausgleich im Gegensatz zu meinem Vorredner schon als Chance an, nämlich als Chance für Reformen, als Chance für eine Bundesstaats­reform, als Chance für eine Reform der Finanzverfassung. Es ist eine Chance, sich einmal im Detail anzusehen, wo es gute Strukturen gibt, wo es ineffiziente Strukturen gibt, wo es Verbesserungen braucht und wo es festgefahrene Föderalismusstrukturen gibt, die aufgebrochen und entwirrt gehören.

In einem großen Finanzausgleichsprozess gehören Zuständigkeiten generell neu definiert, indem die Verantwortung für Einnahmen, Aufgaben und Ausgaben zusam­mengeführt wird. Das muss das generelle Leitbild für eine Bundesstaatsreform sein, und dieses Leitbild ist so natürlich auch in der Finanzverfassung zu verankern.

Dieses Reformpotenzial geht in beide Richtungen: Es geht in Richtung mehr Föde­ralismus und auch in Richtung weniger Föderalismus. Es geht vor allem darum, nicht starr an bestehenden Strukturen festzuhalten, sondern darum, die besten und effizien­testen Lösungen für die Österreicherinnen und Österreicher zu finden.

Dabei halten wir es für wichtig, die Steuerautonomie auszuweiten. Das ist auch schon von allen Vorrednern angesprochen worden. Für die Gebietskörperschaften soll ein viel weitreichenderer Mix als derzeit entstehen: ein Mix aus eigenen Steuern, Gebühren, Beiträgen und den Einnahmen aus dem Steuerverbund. Das Ziel ist, echte Autonomie und echte Selbstverwaltung zu fördern.

 


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