BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 186

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Wir Grünen werden hier deswegen nicht zustimmen, weil wir eine weitergehende Novelle anstreben. Wir Grünen möchten gerne einen Amtsverlust bei jeder Verurtei­lung zu unbedingter Haft und bei einer Verurteilung zu mehr als sechs Monaten be­dingter Freiheitsstrafe. Was wir zusätzlich wollen, ist ein Deliktskatalog, in dem vor allem solche Straftatbestände aufscheinen sollen, die dem Ansehen der Politik und dem Vertrauen in Politiker besonderen Schaden zufügen, weil sie eben direkt mit dem Amt zu tun haben. Dazu hätten wir zum Beispiel Folgendes gezählt: Jede Verurteilung wegen Wahlfälschung, Korruption, Amtsmissbrauch oder Wiederbetätigung sollte unserer Meinung nach zu Amtsverlust führen.

Die Verschärfung, die hier jetzt vorliegt, ist jedoch sehr zahm und für uns einfach nicht weitreichend genug. Abgeordnete dürfen auch bei geringen Haftstrafen als Freigänger weiterhin im Nationalrat oder im Landtag sitzen und über Gesetze abstimmen.

Es hat in den letzten Jahren einige besonders bekannte Fälle gegeben. Ich zähle nur ein paar Sachen auf, die nach dieser Novelle noch immer möglich wären: Zum Beispiel dürfen Regierungsmitglieder, die wegen Korruption, sagen wir einmal, zu sieben Monaten bedingter Haft verurteilt werden, trotz dieser Verurteilung weiterhin in der Regierung sitzen. Abgeordnete, die wegen falscher Zeugenaussage, sagen wir einmal, zu einem halben Jahr bedingter Haft verurteilt werden, dürfen auch weiterhin im Nationalrat Gesetze beschließen.

Wir haben in Österreich ja keine große Rücktrittskultur – so etwas kommt bei uns selten vor –, aber es gibt immer noch Fälle, so sitzt zum Beispiel auch derzeit eine wegen Verhetzung zu bedingter Haft verurteilte Person im Nationalrat und stimmt noch immer über Gesetze im Nationalrat ab.

Die Menschen in Österreich sind – und das wissen wir alle ganz genau – einfach sehr über die Politik verdrossen. Die Wahlbeteiligungen bei den letzten Wahlen zeigen da ein ganz deutliches Bild. Vor drei Wochen bei der Bundespräsidentenwahl waren es 68 Prozent, bei der Nationalratswahl 75 Prozent, ungefähr gleich viele wie bei der Wien-Wahl oder bei der Burgenland-Wahl. Tirol ist da leider mit einer Wahlbeteiligung von 60 Prozent bei der letzten Landtagswahl so ziemlich im Schlussfeld gewesen. Bei der Europawahl war es nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung: 45 Prozent haben an der Wahl teilgenommen.

Ein Grund dafür ist auch das extrem erschütterte Vertrauen der Menschen in die PolitikerInnen. Es ist einfach ganz extrem wichtig, dass dem entgegengewirkt wird und dass das Vertrauen in Politikerinnen und Politiker wieder aufgebaut wird.

Es ist mir persönlich einfach total unverständlich, warum unserem Vorschlag nicht zugestimmt wurde, nämlich einem Amtsverlust bei jeder Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe, bei einer Verurteilung zu über sechs Monaten bedingter Haft und einer Verurteilung nach dem zusätzlichen Deliktskatalog. Das wäre meiner, unserer Meinung nach wirklich ein starkes Signal für die ÖsterreicherInnen gewesen: Schaut her, euer Vertrauen ist extrem wichtig für uns, wir nehmen das auch ernst! – Ich verstehe wirklich nicht, warum man sich das Schlupfloch offenhalten wollte. Daher gibt es von uns hier keine Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

19.04


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Oberlehner. Ich erteile es ihm.

 


19.04.23

Bundesrat Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich)|: Sehr geehrter Präsident! Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Unter diesem Tagesordnungspunkt diskutieren wir also das Thema Amtsverlust. Es


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