schleichender Prozess. In diesem Sinne: Wehren wir den Anfängen! Dazu wird diese Gedenkstätte einen sehr guten Beitrag leisten. – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
15.51
Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Gruber-Pruner. – Bitte, Frau Bundesrätin.
15.51
Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe das KZ Mauthausen das erste Mal als Schülerin, damals auf dem Weg von Vorarlberg nach Wien zur Wien-Woche, besucht. Ich erinnere mich an ein sehr, sehr einschneidendes Erlebnis in meinem Leben.
Ich traue mich zu behaupten, dass ein Besuch in der Gedenkstätte Mauthausen ein Leben verändern kann. Ich habe in meiner eigenen Familie erlebt, dass die Aufarbeitung der Geschehnisse während des Naziregimes, das Betroffensein einzelner Familienmitglieder – in unserem Fall wurde der Urgroßvater Samuel Spindler von den Nationalsozialisten in den Tod getrieben – und die Auseinandersetzung einer Familie damit oft erst Jahrzehnte nach diesen Ereignisse stattfinden.
Ich habe auch bei Freunden in Israel beobachten können, dass in vielen Familien die Schoah und diese Familientragödien, für die die NationalsozialistInnen verantwortlich sind, nach wie vor tabuisiert sind und nur sehr zögerlich zu einer Aufarbeitung kommen. Daher interessiert mich als Pädagogin insbesondere die pädagogische Komponente an so einer Gedenkstätte. Wie kann es gelingen, dieses historische Erbe in einer geeigneten Form aufzubereiten, darzustellen und zu vermitteln? Wie kann es den BetreiberInnen in Zukunft gelingen, mit diesem schweren historischen Erbe, mit dieser enormen Verantwortung umzugehen?
Der Besuch einer KZ-Gedenkstätte – gerade auch dann, wenn junge Menschen das erste Mal dorthin kommen – ist eine sehr, sehr sensible Angelegenheit. Möglicherweise kommen Jugendliche dort überhaupt das erste Mal in ihrem Leben mit der Geschichte des Nationalsozialismus und den Verbrechen in einem Konzentrationslager so wirklich in Berührung. Das verlangt von den Betreibern und Betreiberinnen hohe Professionalität, fachliche, pädagogisch-didaktische Kompetenz.
Ich habe in der Besucherordnung des KZ Mauthausen folgende Bestimmung gefunden: „Wir weisen darauf hin, dass der Besuch der KZ-Gedenkstätte Mauthausen mit Kindern unter 14 Jahren nicht empfohlen wird.“ – Ehrlich gesagt war meine erste Reaktion: Warum eigentlich so spät? Meine Erfahrung ist, dass man schon mit jungen Kindern über Faschismus, über Krieg, über Ungerechtigkeit sprechen kann. Kinder sind für solche Themen sehr aufnahmefähig und sehr sensibel. Das zeigt mir aber doch, mit welch hoher Verantwortung die BetreiberInnen dieser Gedenkstätte an ihre Arbeit gehen.
Im Bildungsauftrag dieser Gedenkstätte ist zu lesen, welche Anforderungen sich die BetreiberInnen selbst vorgeben: „Das Ziel der Bildungsarbeit ist die Sensibilisierung gegenüber nationalsozialistischer Wiederbetätigung, Antisemitismus, Rassismus, Diskriminierung von Minderheiten und Demokratiefeindlichkeit.“
Und weiter: „Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen versteht sich als Gedenkort und Lernort. Mit ihren Vermittlungsprogrammen möchte sie die historisch-politische Bewusstseinsbildung fördern. Deshalb beschäftigt sich die pädagogische Vermittlung multiperspektivisch mit den Opfern, den Tätern und dem gesellschaftlichen Umfeld des KZ Mauthausen. In der Rekonstruktion dieser historischen Perspektiven erschließen sich Bedingungen, Motive und Handlungsspielräume der beteiligten Menschen.“
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