BundesratStenographisches Protokoll863. Sitzung / Seite 70

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12.20.47

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Werte Frau Mi­nister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ja, alles im Bereich Gesundheit, Organisation, Steuerung, Finanzierung ist sehr kompliziert und sehr komplex. Die hier zusammenge­fassten Tagesordnungspunkte in der gebotenen Kürze nicht nur zu erläutern, sondern auch fundiert dazu Stellung zu nehmen, das ist wahrscheinlich eine unlösbare Aufga­be – ebenso unlösbar wie die Aufgabe, die Probleme im Gesundheitswesen politisch radikaler zu lösen – und dabei meine ich das im Wortsinne: an der Wurzel zu lösen –, ohne massiven Widerstand, massive Ängste, Konflikte auszulösen, die politisch nicht zu gewinnen sind.

Ich gebe zu, ich war über die Ergebnisse des Finanzausgleiches im Bereich Gesund­heit sehr enttäuscht, und trotzdem werden wir die beiden Artikel-15a-Vereinbarungen – ich halte Artikel-15a-Vereinbarungen für undemokratisch, intransparent und so weiter – und das Vereinbarungsumsetzungsgesetz und die Novelle zum Ärztegesetz mittragen. Ich halte es für ein Gewurschtel, aber eine Alternative gäbe es nur mit einem wirklichen Kraftakt der Landeshauptleute, der Bürgermeister, also der Gemeinden, der Kammern, der Sozialpartner und der Versicherungen. Da müsste das Ganze von einem großen Ver­trauen und einer Unterordnung unter ein größeres Ziel getragen werden, das nicht nur Machterhalt und Erhalt von mehr Geld bedeutet. (Beifall bei den Grünen.)

Um das ein bisschen konkreter zu machen, was es an Problemen gibt: Ich bin auf­grund einer Witwenpension und einer eigenen Pension – alles im unteren dreistelligen Bereich (Heiterkeit) – und meiner Tätigkeit hier dreifach versichert: bei der Gebiets­krankenkasse, bei der SVA und bei der BVA. (Bundesrat Jenewein: Jetzt gibt es eh den Hunderter!) Vor einem Arztbesuch müsste ich mir eigentlich genau ausrechnen, welche Versicherung ich in Anspruch nehme, denn: Es gibt Selbstbehalte, keine Selbst­behalte, viele Ärzte haben nur kleine Kassen, manche gar keine, dann sind die Refun­dierungen unterschiedlich. Das geht so weit, dass ein MRI zum Beispiel bei der BVA nicht chefärztlich bewilligt werden muss, aber bei den anderen Krankenkassen schon. Rational ist das nicht begründbar, aber trotzdem denkt sich das ja irgendjemand aus, macht die entsprechenden Verträge, das muss administriert werden, muss kontrolliert werden. Es ist aber offensichtlich nicht möglich, dieses im Endeffekt natürlich auch wahn­sinnig kostspielige Tohuwabohu zu beenden oder zu klären.

Oder die Hausarztproblematik: Ich kenne sehr engagierte, fantastische Hausärzte. Mein Hausarzt ist zum Beispiel so einer, aber, ehrlich, verheiratet möchte ich mit ihm nicht sein und auch keine Kinder mit ihm großziehen. Er kann mit seiner Frau nur einigerma­ßen Kontakt halten, wenn er sie nach altbewährtem Modell als Sprechstundenhilfe in der Praxis hat. (Heiterkeit.) Viele junge Ärzte werden Wahlärzte, weil sie einerseits mehr Zeit für die Patienten zur Verfügung haben wollen und andererseits auch eine andere Lebensführung anstreben. So manche frisst das System, trotzdem!

Seit ich politisch tätig bin, höre ich als eines der großen Rezepte im Gesundheitswe­sen: Stärkung des extramuralen Bereichs, also weg vom Krankenhaus, weg von der teu­ren Akutversorgung. Allein, es ist in all diesen Jahren nichts gelungen, die Entwicklung geht sogar eher ins Gegenteil.

Jetzt gibt es also diesen Vorstoß für Primärversorgungszentren mit hoffentlich viel Fle­xibilität in der konkreten Umsetzung. Um es wieder als Patient zu sagen: Ich wünsche mir eine Anlaufstelle, wo immer jemand da ist und ich vieles gleich erledigen kann, wenn ich dorthin komme, und für die im Gesundheitsbereich Arbeitenden wünsche ich mir, dass sie sich permanent austauschen können und nicht irgendwo allein in einer Praxis sitzen. Ich wünsche mir, dass es hier zu einem ständigen Austausch kommen kann, dass die Menschen auch Freiräume für ihre Lebensgestaltung haben, also auch guten Gewissens auf Urlaub gehen können, weil sie die Patienten gut versorgt wissen.

 


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