BundesratStenographisches Protokoll863. Sitzung / Seite 139

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weise unehelich sein. Vielleicht ist das ein Argument für einige: Österreich ist tatsäch­lich das einzige Land weltweit mit solch einer Rechtslage. Das heißt, alle anderen Län­der der Welt, die homosexuellen Paaren volle Adoptionsrechte gewähren, lassen die Eltern dieser Kinder auch heiraten.

Zum Schluss etwas Grundsätzliches: Die Eheöffnung für Lesben und Schwule wird sehr oft als etwas Revolutionäres betrachtet, obwohl es das überhaupt nicht ist. Es wä­re sogar ein sehr christlicher Schritt in der Geschichte der Ehe, weil nämlich die Lie­besehe die eigentlich revolutionäre Idee war. Wir wissen, dass die Liebe lange Zeit als eine Art geistige Verwirrung gegolten hat oder es im alten Griechenland als töricht galt, dass man seine eigene Frau liebt.

Im Alten Testament gibt es zum Beispiel auch eine Geschichte: Jakob heiratet Lea und später dann ihre Schwester Rachel dazu, und diese wiederum stellt Jakob ihre Magd zur Verfügung, weil sie selbst keine Kinder bekommen kann. Das klingt recht verrucht, auch im 21. Jahrhundert. In China sah man lange Zeit übermäßige Liebe zwischen den Eheleuten als bedrohlich für die Solidarität mit der Großfamilie an.

Ehe als etwas Religiöses, das wissen auch nicht viele, ist tatsächlich eine sehr, sehr späte Entwicklung in Europa. Im Mittelalter beispielsweise wurden viele Ehen einfach im Wirtshaus oder gleich im Bett geschlossen. Allein durch den Beischlaf war man so zum Beispiel verheiratet, nach dem Motto: Ist das Bett beschritten, ist das Recht er­stritten. In Bauernehen war der Kuss verboten. Und ein vielleicht nicht rühmliches, aber doch aktuelleres Beispiel aus den USA: Bis in die 1960er-Jahre war es in vielen Staa­ten verboten, „gemischtrassige Ehen“ – unter Anführungszeichen – einzugehen. Wir al­le kennen die Begründung.

Alles in allem habe ich eine Bitte an Sie: Wenn wir während der Weihnachtsfeiertage un­sere Familien treffen, dann können wir diesmal vielleicht genauer hinschauen. Ich glau­be, es gibt keine Familie, auch nicht bei ÖVP- und auch nicht bei FPÖ-Mandataren, in der es nicht einen schwulen Cousin oder eine lesbische Tante gibt. (Bundesrat Kru­sche: Was sind das für Unterstellungen?!) Bitte, reden Sie einmal mit ihnen, und viel­leicht reden wir dann im neuen Jahr darüber, wie wir es schaffen, diese rechtliche Se­gregation, die auf Ideologie basiert, einfach abzuschaffen. Ich glaube, gerade für die Gegner und Gegnerinnen der sogenannten Homoehe kann es nicht von Interesse sein (Vizepräsidentin Winkler gibt das Glockenzeichen), dass wir uns im Nationalrat, aber auch im Bundesrat alle zwei Monate mit dem Thema beschäftigen. – Vielen Dank. (Bei­fall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

16.55


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weber. – Bitte, Herr Kollege.

 


16.55.55

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Liebe Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesen zwei Tagesordnungspunk­ten ändern wir – zugegeben – mehrere Gesetze. An meinen Kollegen Herbert gerichtet: Ja, natürlich nehmen wir die Opposition sehr gerne in die Pflicht. Das ist ja gar nichts Negatives. Leider schafft es die Opposition dann aber nicht, über ihren Schatten zu sprin­gen, der – zugegeben – ein bisschen begrenzt ist.

Unter anderem ändern wir mit diesen zwei Tagesordnungspunkten, wir haben es schon gehört, das Personenstandsgesetz. Seit rund 15 Jahren bin ich ehrenamtlich als Standes­beamter in meiner Heimatgemeinde Tieschen tätig. Ich schätze, so ungefähr 100 stan­desamtliche Eheschließungen habe ich in dieser Zeit schon durchführen dürfen. Viele davon halten bis heute. Ich denke, dass ich – oder meine Kollegin – im kommenden Jahr


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