BundesratStenographisches Protokoll865. Sitzung / Seite 81

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Wir haben mittlerweile die sechste politische Mitteilung gemacht, und ich glaube, es gab sogar eine begründete Stellungnahme. Wir sind dabei, 1 000 Seiten abzuarbeiten, und ich nehme an, es werden noch einmal so viele dazukommen, weil wir da eine grundsätzliche Kritik sehen, nämlich die Atomenergie über die Hintertür, weil – zwei­tens – auf den gesamten Bereich der erneuerbaren Energie völlig vergessen wurde und, wie uns die Landwirtschaftskammer auch im Ausschuss gesagt hat, da auch noch andere Bereiche völlig benachteiligt werden, und zwar genau dort, wo wir bezüglich der Nachhaltigkeit, auch was die Energie betrifft, eine andere Position haben. Wir werden mit Herrn Kommissar Šefcovic noch ordentliche Sträuße auszu­fechten haben, der das derzeit überhaupt nicht versteht, wie wir bei der COSAC ja festgestellt haben.

Das heißt, es gibt eine Menge Themen, die da angerissen werden, aber es zeigt auch von Österreich über die Niederlande – und das wird nicht aufhören; ich wage die Prognose auch für Frankreich und für Deutschland –, dass die proeuropäischen Kräfte, selbst wenn sie dazu stehen, auch Wahlerfolge feiern können und die Vertiefung der Europäischen Union weitergeht. Ob der Brexit – darüber können wir jetzt Wetten abschließen – letztlich Realität wird, werden wir in ein paar Jahren sehen.

Nun, liebe Monika Mühlwerth, wir könnten jetzt theoretisieren: Wir könnten annehmen, dass, hätten wir die Türkei vor sechs oder acht oder zehn Jahren aufgenommen, sie eine andere politische Entwicklung genommen hätte. Ich kann diese Frage nicht beantworten, weil wir innerhalb der Europäischen Union einige – wie soll man sagen? – autoritäre Regierungen geerbt haben, nämlich die in Ungarn und in Polen. Nichts anderes ist das, was wir derzeit in der Türkei erleben. Deshalb ist in diesem Zusammenhang auch eine klare Positionierung in Europa richtig und wichtig.

Dass dieses Flüchtlingsabkommen beziehungsweise dieser EU-Türkei-Pakt, der immer auf sehr tönernen Füßen stand, jetzt teilweise aufgekündigt wird, kommt nicht ganz unerwartet. Diesbezüglich muss Europa mit einer Stimme sprechen. Trump hilft uns, dass Europa sich auf eine gemeinsame Sprache besinnt, auch in dieser Diskussion.

Das hat jetzt im Prinzip nichts mit der Türkei zu tun, sondern wir in Europa müssen das generell diskutieren. Gehen ein österreichischer Politiker oder eine Politikerin nach Deutschland, wenn wir hier Nationalratswahlen haben, um die 200 000 Österreicherin­nen und Österreicher in Deutschland zu überzeugen oder nicht? – Nein! Nationale Wahlkämpfe sind Wahlkämpfe, die auf nationalem Territorium stattfinden; das steht übrigens in der türkischen Verfassung. Jeder Minister, der im Ausland einen Auftritt absolviert, begeht einen Bruch der türkischen Verfassung. Insofern helfen wir den türkischen Ministern sogar, nicht angeklagt zu werden, weil sie das laut ihrer Verfas­sung gar nicht dürfen.

Und die andere Frage, von Edgar Mayer emotional aufgeworfen, betrifft das Problem der Doppelstaatsbürgerschaften. Wir wissen, ein Viertel der Österreicher hat eine Doppelstaatsbürgerschaft, und ich glaube, der Anteil jener mit einem türkischen Hintergrund, die eine solche haben, ist eher gering, weil die Türkei ein Land ist, das die Staatsbürgerschaft zurücknimmt. Es gibt Länder, auch EU-Mitgliedstaaten, die die Staatsbürgerschaft nicht zurücknehmen! Zum Beispiel eine griechische, eine italieni­sche Staatsbürgerschaft kann man nicht zurücklegen. Diese Frage müssen wir, ganz ohne den Fokus auf die Türkei zu legen, diskutieren. Ich habe da immer eine möglichst liberale Auffassung.

Das, was am Ende des Berichts kommt, nämlich dass wir in der Integration alles tun müssen für die Demokratieschulung, für die staatsbürgerschaftliche Schulung und so weiter und so fort – diesbezüglich werden wir uns ja verstehen –, diese integrations­festigenden Maßnahmen gehören natürlich gesetzt. Sie werden auch im Anhang zu diesem Bericht angeführt.

 


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