BundesratStenographisches Protokoll865. Sitzung / Seite 87

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

Tausende Menschen über die Grenzen gekommen sind und niemand sie gefragt hat, wo sie herkommen und wo sie hinwollen, sondern dieser Flüchtlingsstrom ist durch­gezogen. Das war in der Tat ein beklemmendes Gefühl, das sich keinesfalls wieder­holen soll.

Diese Episoden aus dem Jahr 2015 haben so eindrücklich und schonungslos aufgezeigt, wo die Schwächen der Europäischen Union liegen. Die Schwächen wurden angesprochen, und da kann ich auch einigen Aussagen von Monika Mühlwerth zustimmen. Die Schwächen liegen natürlich darin, dass wir nach wie vor kein System haben, um unsere Außengrenzen wirksam zu kontrollieren, dass wir kein europäisches System haben, um Asylverfahren europaweit einheitlich abzuwickeln, und dass in diesem besagten Jahr 2015 natürlich auch einige Fehleinschätzungen von führenden Politikern in Europa getroffen wurden. Diese Politik des Durchwinkens konnte einfach von vornherein keine Lösung sein, sondern sie verschärfte noch Probleme, die wir hatten. So sind diese Problemfelder aus dem Jahr 2015 unsere Herausforderungen von heute.

2015 war übrigens – das sei auch positiv angemerkt – auch das Jahr, in dem wir 20 Jahre Mitgliedschaft in der Europäischen Union gefeiert haben; und wir wissen: Gerade in wirtschaftlicher Hinsicht hat unser kleines Land mit etwas über acht Millionen Einwohnern unheimlich profitiert. Wir haben unseren Wohlstand verbreitern können, wir haben die Exporte steigern können, aber trotzdem sehen wir, dass die EU einen enormen Reformbedarf hat.

Liebe politischen Freunde von links und rechts, dieser junge Mann, der hier sitzt, hat einfach als einer der führenden Politiker in Europa wie kaum ein anderer diese Fehl­entwicklungen von vornherein thematisiert und auch aufgezeigt. Sebastian Kurz war in seiner Funktion als Außenminister einer der ersten führenden Politiker, die gesagt haben, das Durchwinken kann niemals eine politische Lösung für die Fragen der Migration, der Flüchtlinge, der kriegerischen Auseinandersetzungen sein, sondern dieses Durchwinken wird manche Probleme bei uns erst recht verschärfen.

Es war auch Sebastian Kurz, der dann auch gegen den journalistischen Mainstream recht behalten wird, wenn er sagt: Wir brauchen weder mehr noch weniger EU – wenn ich deine Aussagen richtig wiedergeben darf –, sondern wir brauchen eine Euro­päische Union, die sich auf die großen Fragen fokussiert und die dort, wo es diese großen Fragen nicht gibt, den Subsidiaritätsgedanken durch und durch lebt, sodass die Regionen prosperieren können.

Was sind diese großen Fragen? – Das sind natürlich die Fragen des Außengrenz­schutzes. Wenn wir also das Schengener Abkommen aufleben lassen wollen, dann brauchen wir einen effektiven Außengrenzschutz. Wenn wir Migration steuern wollen, dann brauchen wir zumindest eine Nachfolgeregelung zum Dublinabkommen. Wir können einfach nicht derart weitergehen, dass jedes Land für sich eigene Lösungen produziert. Eine große Frage abseits davon wäre zum Beispiel auch der Klimaschutz. Auch das sind Fragen, die auf EU-Ebene offensiv geklärt und geregelt werden müssen.

Aber: Gewisse Fehlentwicklungen gehören dringend korrigiert; und eine Fehlentwick­lung, die ich auch ansprechen möchte, ist die Frage, die gerade auch politisch inter­essant und aktuell ist, nämlich die Frage der Familienbeihilfe, und auch die Frage der sozialstaatlichen Funktion der einzelnen Nationalstaaten (Zwischenrufe der Bun­desräte Dziedzic und Stögmüller), denn eines ist unbestritten, nämlich dass logischerweise Länder, die ein hohes Sozialniveau haben (Bundesrat Stögmüller: Die Pflege?!), natürlich eine Anziehungskraft einerseits am europäischen Arbeitsmarkt, aber anderer­seits auch bezüglich der Frage der weltweiten Migration entfalten.

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite