BundesratStenographisches Protokoll872. Sitzung / Seite 30

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Es gibt also genügend Beispiele, natürlich auch in anderen Bundesländern, die diese Reformbereitschaft der Länder entsprechend darstellen. Deswegen von hier auch mei­ne Botschaft an alle, die glauben, mit einem zentralisierten Staat würden wir in Öster­reich besser fahren und die Landeshauptleute würden nur, wie es manche ausdrücken, als „Fürsten der Finsternis“ ihre Pfründe bewahren wollen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das sagt der Herr Landwirtschaftsminister immer!) – Das sagt nicht der Herr Landwirtschafts­minister, das sagt der Chef einer Oppositionspartei!

Die föderalen Strukturen – das ist die Botschaft, Frau Kollegin Mühlwerth! – ermögli­chen nicht nur eine Nähe der Behörden zu den Bürgern, sondern andererseits auch ei­ne viel bessere Beteiligung der Bürger an der Gesetzgebung, an der Verwaltung und auch eine echte Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger am Gemeinwesen insgesamt. – Das ist eigentlich die Botschaft.

Der Zentralismus leidet ja gerade daran, dass er die unterschiedlichen Verhältnisse und unterschiedlichen Vorstellungen, die in unterschiedlichen Regionen und Ländern vorherr­schen, nicht berücksichtigen kann, und der Versuch, sich über diese Unterschiede hin­wegzusetzen, bedeutet ein Mehr an Aufwand, ein Weniger an Treffsicherheit und ei­gentlich auch eine Einschränkung jedes Einzelnen von uns. Ein gewisses eigenverant­wortliches Handeln ist in der Regel eben wesentlich effizienter, als wenn man alles vor­geschrieben bekommt und nur ausführende Tätigkeiten übernimmt. Zahlreiche Studien beleuchten, dass dezentrale Staaten und dezentrale Einheiten wesentlich effizienter sind: Staatsquoten sind niedriger trotz höherer Standards in manchen Politikbereichen. Der Sinn des Föderalismus ist es ja gerade, unterschiedliche Lösungen in den Regionen über­haupt möglich zu machen. – Das ist eigentlich der Punkt.

Der Altbundespräsident von Deutschland Roman Herzog hat es einmal auf den Punkt gebracht, indem er gesagt hat: „Ein Föderalismus, der keine Unterschiede zulässt, ist schon gedanklich ein Unding. Wir brauchen Mut zum Unterschied, damit Freiheit ent­steht.“ – Der Altbundespräsident hat aus meiner Sicht vollkommen recht, die Heilser­wartung an zentrale Lenkung ist nämlich ein Irrweg. (Präsident Mayer gibt das Glocken­zeichen.) – Ich komme schon zum Schluss, danke für den Hinweis, Herr Präsident!

Wir brauchen nicht die Gleichmacherei, wir brauchen gleiche Chancen, wir brauchen kei­ne Nivellierung nach unten, sondern wir brauchen mehr individuelle Entwicklung auch für die Regionen.

Lieber Herr Landeshauptmann! Ich wünsche dir für den zweiten Teil des Vorarlberger Vorsitzes natürlich gemeinsam mit unserem Präsidenten Edgar Mayer, dass es euch getreu dem Motto gelingt, gemeinsam Perspektiven zu schaffen und gerade in Zeiten nach der Nationalratswahl eine vernünftige, eine starke und auch eine ausgleichende Stimme in Österreich zu sein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der Grü­nen sowie des Bundesrates Zelina.)

10.25


Präsident Edgar Mayer: Danke, Herr Kollege Dr. Brunner.

Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Ing. Bock. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.25.54

Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Geschätzter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Landeshauptmann beziehungsweise Nachbar-Landeshauptmann in diesem Falle! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich darf eingangs ein biss­chen auf ein paar Punkte replizieren, die der Herr Landeshauptmann heute vorgebracht hat.

Ich möchte zuerst festhalten, dass sehr viele Punkte dabei sind, mit denen ich als Tiro­ler recht gut leben kann. Ich möchte aber ein paar Dinge herausstreichen, mit denen ich nicht ganz einverstanden bin oder zu denen ich etwas kritisch anmerken möchte.

 


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