BundesratStenographisches Protokoll875. Sitzung, 875. Sitzung des Bundesrates am 8. Februar 2018 / Seite 47

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werden auch im negativen Fall nicht einfach im Regen stehen gelassen, sondern kompetent und wertschätzend weiterverwiesen, und auch da wird dann geholfen.

Mein ganz besonderer Dank gilt der Volksanwaltschaft für die präventive Menschen­rechtskontrolle; das ist ja ein relativ neuer Bereich und ein Bereich mit großer gesell­schaftlicher Wirkung. Das wird mit großem Engagement gemacht – über 400 Einsätze im Berichtszeitraum –, mit einem eigentlich sehr erschütternden Ergebnis: In 83 Pro­zent der Fälle wurden Defizite aufgezeigt. Die Einsätze erfolgen unangekündigt und lösen bei den Beteiligten natürlich auch Unruhe aus – das hat meine Vorrednerin Sonja Ledl-Rossmann schon bemerkt und sich damit auseinandergesetzt –, denn gerade jene Menschen, die in dem Bereich arbeiten, fühlen sich dann trotz des hohen Arbeits­einsatzes kritisiert, ungerechtfertigt abgewertet und so weiter. Da besteht Handlungs­bedarf der Politik, denn der ganz zentrale Punkt in den Einrichtungen ist der Personal­schlüssel.

Ich möchte hier nur als Beispiel Schweden erwähnen, wo im Bereich der Pflege die Arbeitszeit auf sechs Stunden reduziert wurde. Dadurch wurden die Krankenstände dieser Menschen reduziert, die Verweildauer im Beruf konnte erheblich gesteigert werden, und die Qualität der Pflege wurde verbessert – und das ohne noch mehr Berichtspflichten oder Kontrollen.

Im gesamten Bereich der Behindertenbetreuung, Kinder- und Altenversorgung wird durch die Volksanwaltschaft entscheidende Bewusstseinsbildung geleistet. Ohne diese wäre es zum Beispiel nicht möglich gewesen, eine große Einrichtung in Salzburg vor ihrer Renovierung sozusagen noch im letzten Moment auf kleine Einheiten aufzuteilen, aus denen heraus Inklusion Behinderter tatsächlich stattfinden kann, eine Schwerst­behinderteneinrichtung zu öffnen, neue Wohnformen in Altenheimen zu realisieren und so weiter.

Ja, das alles kostet Geld; aber ich glaube, wir alle sind uns nicht wirklich bewusst, in welcher ungeheuren Umbruchsituation wir leben. Während der digitale Wandel in aller Munde ist, wird kaum darüber gesprochen, dass – ich sage es etwas flapsig – der Kapitalismus nach allen Formen der Subsistenzarbeit greift, also der Arbeit, die für das Leben unbedingt notwendig ist; damit wir essen können, damit wir sauberes Gewand haben, nicht im Dreck ersticken und so weiter.

Diese Arbeit wird global nach wie vor zu 70 Prozent von Frauen geleistet  und ist daher nichts wert. Sie erfolgt auch bei uns in Form der Hausarbeit noch immer zu großen Teilen unentgeltlich und frauenlastig, aber im Bereich der Betreuung von Kindern, von Schwachen gibt es eine Professionalisierung. Vieles wird aus den Familien outge­sourct – ich sage das völlig wertfrei als Beschreibung –, und das verändert das gesamte Gefüge. Ich bin fest überzeugt, die Arbeit geht uns nicht aus, kein Roboter wird uns die angeschissenen Windeln in einer Qualität, die auch menschenrechts­konform ist, wechseln, aber wir wollen und können die gesellschaftlich notwendige Subsistenzarbeit nicht entsprechend bezahlen. Wir schätzen sie nicht entsprechend wert, und wir verteilen sie nicht so, dass die Menschen, die sie leisten, davon menschenwürdig und adäquat leben können.

Ein weiteres Beispiel ist die 24-Stunden-Pflege, ein Bereich, der für die Volks­an­waltschaft leider nicht oder kaum zugänglich ist, aber auch als Problem gesehen wird. Weitere Kontrollen in diesem Bereich, das greift zu kurz. Die Frage ist: Wird es uns gelingen, die immer weiter aufgehende Schere in der Gesellschaft zu schließen, unsere Lebensform ohne Sklaverei und Ausbeutung aufrechtzuerhalten beziehungs­weise menschenwürdige Bedingungen für alle zu schaffen, auch für die Kinder der 24-Stunden-Pflegenden, die sie in der Obhut einer Oma zurücklassen und denen jetzt auch noch die Kinderbeihilfe zusammengekürzt werden soll, oder bezahlen wir eben


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