BundesratStenographisches Protokoll875. Sitzung, 875. Sitzung des Bundesrates am 8. Februar 2018 / Seite 65

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12.25.47

Bundesrätin Rosa Ecker (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Volksanwälte! Geschätzte Damen und Herren! Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern mitbekommen: Wurzeln und Flügel. Was ist jetzt aber, wenn eine Familie das nicht aus Eigenem schafft? – Dann finden sich eben manche Kinder in einer öffentlichen Einrichtung wieder. Alle Kinder, auch die, die schon viel in diesen gefährdeten Familien erfahren haben, alle Kinder leben am liebsten im eigenen Familienverband, und das ist eben aufgrund der Gefährdung oft nicht möglich. Immer unter Bedachtnahme auf das Kindeswohl wird dann die Entscheidung getroffen, ein Kind herauszunehmen – oft, sehr oft auch mit Zustimmung der Eltern im beiderseitigen Einvernehmen.

Man sucht ein neues Zuhause, und das Kind kommt zu Pflegeeltern oder in eine Einrichtung. 2016 sind durch die Kinder- und Jugendhilfe österreichweit 52 838 Erzie­hungshilfen für diese Familien gewährt worden; knapp drei Viertel davon zur Unter­stützung in der Erziehung, der Rest volle Erziehung. Das heißt, die Gesamtanzahl stieg um 3 Prozent gegenüber 2015, auffälligerweise unterschiedlich in den Bundesländern: in Niederösterreich zum Beispiel um 16 Prozent, in Kärnten um 8 Prozent. Öster­reichweit haben wir 606 Millionen Euro für diese Erziehungshilfen ausgegeben.

Insgesamt wurde 2016 für 13 000 Kinder, und das sind 13 000 Schicksale, eine Maßnahme der vollen Erziehung gesetzt. Ungefähr 60 Prozent davon, knapp 8 500, übersiedelten in eine sozialpädagogische Einrichtung. Für die anderen Kinder wurde ein neues Zuhause in einer Pflegefamilie gefunden.

Wir haben es heute schon gehört: Die Zahl der fremduntergebrachten Kinder steigt stetig an. Ich denke – und wir haben es auch im Ausschuss besprochen, es ist tat­sächlich sehr interessant –, man muss einmal den Fokus darauf legen, warum das so ist. Wir sprechen von einer gesellschaftlichen Entwicklung. Ist das so? Das würde mir sehr, sehr große Sorgen bereiten. Oder gibt es dafür andere Gründe? Nur wenn man das klärt, weiß man, wo man ansetzen muss, um ordentlich darauf reagieren zu kön­nen.

Die Volksanwaltschaft hat gut aufgezeigt, was man noch alles in Bezug auf die stationäre Unterbringung von Kindern braucht. Ein großes Thema ist da auch die Teilhabe. Viele dieser Kinder haben das Gefühl, sie sind so etwas wie Marionetten und werden hin- und hergeschoben. In Oberösterreich haben wir einen Verein, der sich sehr gut in diesen Bereich einbringt und mit diesen Kindern auch Projekte macht. Ein 13-jähriges Mädchen, das im Rahmen der vollen Erziehung untergebracht wurde, hat ihre Vorstellungen zusammengefasst, und sie sind sinngemäß völlig ident mit dem, was die Volksanwaltschaft sagt, aber sehr menschlich, sehr kurz und sehr verständlich in Sätze gefasst. Sie schreibt Folgendes:

Was mir wichtig ist: Mir ist wichtig, ein Netz zu haben, das mich trägt, schützt und hält. Ein belastbares Netz, das mich auffängt, in das ich mich fallen lassen kann. Ein Netz, das durchschaubar ist, das nicht einengt. Ein Netz, das mir Sicherheit und Gebor­genheit gibt. Ein Netz, das mir die Möglichkeit gibt, den Sprung ins eigene Leben zu wagen und zu machen. – Zitatende.

Das bringt es auf den Punkt: Braucht ein Kind eine andere Wohnform, braucht es besonderen Schutz, besondere Fürsorge, die Einhaltung der Kinderrechte, einen ge­schützten Bereich, in dem das Kind und der Jugendliche aufwachsen kann, mit viel Angebot zur Unterstützung, damit es sich den Fähigkeiten und Begabungen entsprechend positiv entwickeln kann, und es braucht Teilhabe an laufenden Prozessen und eine Möglichkeit der Mitbestimmung.

 


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