Die Bundesregierung schafft künftig, wie gesagt, eine Dreiklassenmedizin: ganz oben die Beamten mit den besten Leistungen (Ruf bei der FPÖ: Da bist du aber auch drin! Aufpassen!), dann die Selbstständigen und schließlich die dritte und unterste Klasse, die große Mehrheit der sieben Millionen anderen. Die bei der Österreichischen Gesundheitskasse Versicherten sind die Einzigen, die nicht selbst über ihre Leistungen entscheiden dürfen. Auch Verschlechterungen wie etwa die Kostenabwälzung zur sogenannten Sanierung der AUVA muss die Österreichische Gesundheitskasse schlucken. Einsparungen im Bereich der gesetzlichen Versicherung treiben die Menschen, die es sich leisten können, zu privaten Krankenversicherungen und zu Wahlärzten.
Zu einem weiteren Thema, zur Parität: Die Parität in der Selbstverwaltung bedeutet Machtungleichheit zugunsten der Wirtschaft. Die Dienstgeberseite bekommt enorme Macht in der Krankenkasse, obwohl sie selbst dort gar nicht versichert ist. Leistungskürzungen, Selbstbehalte, Privatisierungen drohen. Wenn Dienstgebermehrheiten und Wirtschaft das Sagen haben, wollen sie vor allem eigene Interessen wahren, wie zum Beispiel Kosten sparen bei den Leistungen der Arbeitnehmer, Beiträge der Dienstgeber senken und damit Lohnnebenkosten sparen, Selbstbehalte beim Arztbesuch einführen, mehr Krankenkontrollen und so weiter.
Zentralisierung heißt, dass Entscheidungen fern von den Menschen erfolgen. Die Länderkassen verlieren ihre Entscheidungs- und Verhandlungskompetenz. Die Zwangsfusion bedroht die Versorgung vor Ort, durch die künftigen bundesweiten Ärzteverträge sind regionale Projekte bedroht. Zu befürchten ist, dass das Versorgungsniveau, wie zum Beispiel die Ärztedichte, auf einen bundesweiten Schnitt hinunternivelliert wird – aufgrund der sehr hohen Versorgungsdichte bei Hausärzten wäre Niederösterreich ein Verlierer.
Wenn die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse aufgelöst und ein Teil der Zentralkrankenkasse in Wien wird, ist die künftige Landesstelle zur Gänze an Weisungen der Zentrale gebunden und verliert ihre Rechtspersönlichkeit, sie wird über keine Budget-, Personal- und Vertragshoheit mehr verfügen. Wir befürchten wirklich einschneidende Verschlechterungen für die niederösterreichischen Versicherten, die niederösterreichischen Gesundheitsanbieter und die niederösterreichische Wirtschaft.
Die Verschlechterungen für die niederösterreichischen Versicherten ergeben sich aus dem von der Bundesregierung gewünschten Personalabbau; rund ein Drittel der regionalen Außenstellen sind in den nächsten fünf Jahren von der Schließung bedroht. Durch den Verlust der Vertragsautonomie werden künftig regionale Versorgungslösungen wegfallen. Durch die Angleichung der gesundheitlichen Versorgung an den Bundesdurchschnitt droht in vielen Regionen eine Schließungswelle. So müsste zum Beispiel im Waldviertel bei einer Angleichung an den Bundesdurchschnitt jede vierte Kassenpraxis für Allgemeinmedizin geschlossen werden.
Der Wegfall der Entscheidungshoheit der neun Landesstellen bedeutet für Niederösterreich, dass Aufträge nicht mehr – wann immer es rechtlich möglich ist – an niederösterreichische Betriebe vergeben werden können; darüber entscheidet künftig die Zentrale, meist nach EU-weiter Ausschreibung. Die Folge: Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Niederösterreich gehen verloren.
Aus all diesen Gründen können wir von der sozialdemokratischen Fraktion der von den Regierungsparteien vorgeschlagenen Sozialversicherungsreform leider nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
10.47
Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster ist Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.
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