Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 35. Sitzung / Seite 144

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Ich möchte schon darauf hinweisen, meine Damen und Herren von der ÖVP: Träumer ist man deswegen, weil man eine Langstreckenrakete noch immer als eine Langstreckenrakete sieht und nicht als ein militärisches Verteidigungsmittel, noch lange nicht. Wenn ich mir die NATO ansehe, dann muß ich schon sagen, primär besteht die NATO, auch wenn sie durchaus auch anderen Zielen dienlich gemacht werden kann, nicht aus Verteidigungszwecken und aus Verteidigungszielen. (Abg. Mag. Kukacka: Na sicher!) Primär ist die NATO ein Angriffsinstrument. Sie hat die Mittel zur Verfügung, die nur für den Angriff geeignet sind. (Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser .)

Kollege Moser! Darüber kann man natürlich entrüstet sein, aber wenn ich mir die militärischen Instrumente der NATO von ihrer Atombewaffnung, von ihrem Atomwaffenarsenal, von ihren Instrumenten her ansehe, dann kann ich bei weitem nicht davon reden, daß wir es mit einem reinen Verteidigungsbündnis zu tun haben, mit einem Verteidigungsbündnis, das eigentlich seine wunderbare Premiere als Verteidigungs- und Sicherheitsbündnis in Jugoslawien gehabt hat.

Sehen wir uns doch diesen Konflikt in Jugoslawien ein bißchen näher an. Meine Damen und Herren! War es nicht so, daß die NATO, solange die UNO-Stäbe in Jugoslawien ihr unterstellt waren, nichts gemacht hat? – Meine Damen und Herren! Da kann Abgeordneter Mock noch so sehr und in emotionalen Bildern die Schrecken von Srbrenica und anderen Städten beschwören: Es war nicht die UNO, die in Jugoslawien in den letzten fünf Jahren versagt hat.

Es war die NATO, die eindeutig in Jugoslawien der UNO den Auftrag, den Befehl zum Einschreiten verweigert hat. Die NATO hätte schon viel früher die Möglichkeit gehabt einzuschreiten! (Abg. Scheibner: Genau umgekehrt!) Sie hat es nicht getan. Es ist in Jugoslawien unter anderem auch darum gegangen, ein international durchaus sinnvolles System wie die UNO zu diskreditieren. Ich meine, man muß schon sehr genau aufpassen, wenn man sich den jugoslawischen Konflikt ansieht, um nicht zu einem falschen Urteil zu kommen.

Meine Damen und Herren! Es geht nicht darum, daß die Grünen die Träumer, die Polizei- und Militärabschaffer sind (Abg. Scheibner: Richtig! Sie haben ganz klare Ziele!), die Österreich wehrlos dem russischen Bären ausliefern wollen. Es geht darum, daß man sich, auch in Europa, ganz real die Bedrohungsszenarien anschauen muß. Ich möchte nur darauf hinweisen – und das stammt nicht aus meinem Mund, sondern aus dem eines international renommierten Militärforschers –, daß sich die Bedrohungsszenarien international in den letzten Jahrzehnten gewaltig verändert haben. Es geht nicht mehr primär um die klassischen Konflikte zwischen Militärbündnissen und die klassischen Konflikte zwischen Ländern. Es geht nicht mehr darum, daß ein Land dem anderen den Krieg erklärt.

Es geht im wesentlichen darum – und diese Dimension hat zugenommen –, daß die nicht klassischen Konflikte enorm an Bedeutung gewonnen haben, und zwar die Konflikte, die nicht zwischen den Ländern stattfinden, die Konflikte, die sozusagen auf der zivilen Ebene stattfinden, zwischen Ethnien, entlang von Religionen, nicht zwischen organisierten Verbänden. Das ist das Problem, mit dem wir heute – und zwar nicht nur in Europa, sondern weltweit – konfrontiert sind! Und darauf hat die militärische Sicherheitsoptik und Sicherheitsposition noch überhaupt keine Antwort gefunden. Es gibt ein absolutes Versagen jeglicher militärischer Option darüber, wie man mit diesen Konflikten zu Rande kommt.

Da gibt es höchstens das Schulterzucken von Militärs – egal, wo –, weil man nicht weiß, wie man mit diesen Konflikten zu Rande kommen soll. Das war doch auch – meine Damen und Herren, erinnern Sie sich daran! – die Situation noch vor wenigen Jahren in Jugoslawien! Auch da hat die Militärseite mit den Schultern gezuckt und gemeint, man könne nicht intervenieren. Und ich bin mir nicht sicher, was in wenigen Jahren das Ergebnis dieser Intervention in Jugoslawien sein wird, ob es tatsächlich von dauerhaftem Bestand ist, solange es keine politische und keine soziale Unterfütterung für diese Region in Jugoslawien gibt.

Das ist doch die Situation, die wir heute bei Konflikten überall erleben: daß das Entscheidende, das oftmals viel Entscheidendere, die sozialen Spannungen, die religiösen Spannungen, die


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