Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 72. Sitzung / Seite 34

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler! Es ist selbstverständlich das Recht, alle Anfragen zu verlesen. Ich mache nur darauf aufmerksam: Sie sind nicht dazu verpflichtet, weil die Anfragen schriftlich verteilt worden sind, so wie es die Geschäftsordnung vorsieht. Aber wenn Sie wollen, können Sie sie selbstverständlich verlesen.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel (fortsetzend): Ich habe mir gedacht, daß damit ein bißchen klarer wird, worauf sich die Anfrage bezieht. Aber ich kürze ohnehin.

Also zur 3. Frage:

Nach meinen Recherchen – das kann unter Umständen unvollständig sein –, nach dem, was bei uns im Außenministerium aktenmäßig dokumentiert war, hat es in diesem Zeitraum 16mal Kontakte gegeben, und zwar nicht mit dem Minister – nie mit dem Minister! –, sondern mit diversen Abteilungsleitern, Sektionsleitern, politischer Direktor et cetera. Und entsprechend häufige Kontakte hat es natürlich auch zwischen der österreichischen Botschaft in Teheran und dem iranischen Außenministerium gegeben.

Die 4. Frage: Haben die Vertreter des Iran verlangt, daß der Haftbefehl gegen Bozorgian aufgehoben und Sahraroodi und Bozorgian die Ausreise gestattet wird? – Ich darf wieder ein bißchen präzisieren, denn das wird immer vermischt: Sahraroodi und Bozorgian. Wahr ist: Bevor Sahraroodi ausgereist ist, nämlich am 22. Juli, gab es überhaupt keinen Haftbefehl gegen ihn. Und das hat auch einen Grund: Der Mann war schwerverletzt. Ich habe die Zeitungsberichte da. Ich lese Ihnen nur aus der "Kronen Zeitung" folgenden Bericht vor: "Der vierte Mann" – das war Sahraroodi – "hatte unwahrscheinliches Glück. Ein Projektil, das gegen seinen Kopf abgefeuert worden war, wurde durch die Zähne abgelenkt und trat bei der Wange aus. Durch die tiefe Fleischwunde dachten die Mörder, daß das bewußtlos zusammengebrochene Opfer ebenfalls tot sei, und flüchteten nach dem Massaker."

Also daß Sahraroodi innerhalb der ersten Woche nicht sofort als Mittäter identifiziert werden konnte und bis zur Ausreise kein Tatverdacht und daher auch kein Haftbefehl bestanden hat ... (Abg. Hans Helmut Moser: Fragen Sie Herrn Minister Löschnak! Das stimmt nicht!) – Herr Abgeordneter Moser, ich nehme an, Sie werden dann ohnedies noch reden. Darf ich, ohne jetzt schreien zu müssen, meine Anfragebeantwortung fortsetzen? Ich will ja nur erklären, warum bei Sahraroodi kein Haftbefehl vorgelegen ist. Es sind auch dem Außenministerium keine Verdachtsmomente bekannt gewesen.

Das iranische Verlangen nach Aufhebung des Haftbefehls gegen Bozorgian – das ist richtig – wurde in mehreren Gesprächen in Wien, aber auch in Teheran vorgetragen, vor allem in der Zeit bis Mitte August 1989 vom Außenministerium. Auch das ist aktenkundig klar nachgewiesen. In jeder Besprechung haben die Beamten, ob politischer Direktor, ob Abteilungsleiter, ob Vizesektionschef, auf die Unabhängigkeit der Justiz und der Gerichte hingewiesen. Ich halte das auch für die einzig mögliche Reaktion. Selbstverständlich besteht die Möglichkeit, daß ein ausländischer Botschafter kommt und seine Anliegen, seine Beschwerden, auch seine Drohungen bekanntgibt. Dies ist zurückzuweisen, und es ist klar darauf hinzuweisen, daß es eine unabhängige Justiz gibt, auf die niemand, schon gar nicht das Innen- oder das Außenministerium, Einfluß nehmen kann. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Damit zu den Fragen 6, 7 und 8:

Von iranischer Seite wurde in einigen Fällen davon gesprochen, daß die Beziehungen durch diese Angelegenheit belastet sind. Zum Beispiel hat der iranische Botschafter am 20. Juli darauf hingewiesen, daß das iranische Volk – das ist die übliche Drohung – durch die österreichischen Medienberichte irritiert sei – weil ja vermutlich jeder Iraner täglich die österreichischen Medienberichte gegenwärtig hat – und sich zu Feindseligkeiten hinreißen lassen könnte. Der politische Direktor hat jedesmal auf die Unabhängigkeit der Gerichte verwiesen und iranische Äußerungen über angeblichen antiiranischen Druck auf Österreich zurückgewiesen.


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