Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 72. Sitzung / Seite 58

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Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (fortsetzend): Eine Minute noch, bitte. – Ich gehöre nicht zu jenen, die sagen, es darf keinen Untersuchungsausschuß geben, solange wir keine neue Verfahrensordnung haben. Aber:

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich appelliere an Sie alle in diesem Hohen Haus: Wir haben aus dieser Zeit einen tauglichen Entwurf. Greifen wir diesen wieder auf, damit wir uns nicht nach einem allfälligen Untersuchungsausschuß, der wieder nach der alten Verfahrensordnung stattgefunden haben wird, vom Vorsitzenden der Strafrichter Österreichs, Mag. Ellinger, wieder einmal sagen lassen müssen: "Das vorprogrammierte tägliche Medienspektakel mit weitreichenden Vorverurteilungen ist erwartungsgemäß eingetreten, und je rüder Abgeordnete mit Zeugen umgingen, umso mehr punkteten sie in den Medien."

"Es handelt sich neuerdings nicht mehr um verschleierte Vorverurteilungen, sondern Mitglieder der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse verurteilten unter dem Schutz ihrer parlamentarischen Immunität Zeugen je nach Opportunität." Und so weiter und so weiter.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe sehr, daß wir so etwas, wenn es doch wieder einen Untersuchungsausschuß in diesem Haus geben sollte, weil er notwendig ist, uns nicht mehr sagen lassen müssen – das auch in unserer Verantwortung als Abgeordnete dieser Republik! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Wabl: Wer hat die Mehrheit in diesem Haus?)

17.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist als nächste Rednerin Frau Abgeordnete Dr. Fekter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.26

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Herr Präsident! Hohes Haus! Wenn man sich mit diesem Fall seriös auseinandersetzt, dann muß man sich an dem Wissensstand orientieren, den die Entscheidungsträger zum jeweiligen Zeitpunkt hatten. (Abg. Anschober: Der Herr Minister sollte sich am derzeitigen Wissensstand orientieren!) Sie, Herr Kollege Anschober, haben in der zeitlichen Abfolge einiges zu einem Zeitpunkt vorweggenommen, zu dem es als Tatsache noch nicht bekannt war. Wenn man sich nämlich die Chronologie der Ereignisse anschaut und dann von der Chronologie und von dem Wissensstand her, den man damals hatte, die Entscheidungen analysiert, dann kann man weder der Justiz noch der Exekutive noch dem Außenamt Fehlverhalten vorwerfen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Anschober: Sie können konstruieren, was Sie wollen, das ändert an den Fakten nichts!)

Ich möchte nun kurz auf die Chronologie der Ereignisse eingehen. Unbestritten ist, daß der verletzte Iraner zu Beginn der Ermittlungen von allen als Opfer gesehen wurde (Abg. Anschober: Falsch! Das ist die Unwahrheit!) , und zwar deshalb, weil er auf der Straße schwer verletzt nach der Polizei gerufen hat und weil er sich als Opfer ausgab.

Der nächste Punkt in der Chronologie: Jener Iraner, den man kurze Zeit in Gewahrsam nahm, behauptete, in der Wohnung nicht gewesen zu sein, sondern nur um eine Jause gegangen zu sein, und dann hat er sich als Zeuge zur Verfügung gestellt. Er galt also auch nicht als Täter. Von diesem Wissensstand aus, davon, daß die Exekutive von einer Opfertheorie bezüglich der beiden Iraner ausgegangen ist, muß man heute die Sache bewerten.

Diese Theorie wurde zwar durch Widersprüchlichkeiten in den Aussagen relativ rasch, und zwar bereits am dritten Tage nach der Tat, etwas ins Wanken gebracht, aber die Widersprüche waren nicht so gravierend, daß der Untersuchungsrichter, der den Verletzten sogar im Krankenhaus vernommen hat, in den Widersprüchen ausreichende Verdachtsmomente gesehen hätte, einen Haftbefehl wegen Mordes zu erlassen.

Erst Monate später, und zwar im November 1989, konnte diese Opfertheorie durch das etwa 400 Seiten umfassende gerichtsmedizinische und schußtechnische Sachverständigengutachten


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