Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 1. Sitzung / Seite 21

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Amt des Dritten Präsidenten vorschlagen werden. Dieser Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird auch allen anderen Besetzungen, etwa bei den Ausschüssen, bei der Vertretung im Europarat, zugrunde gelegt.

Der vor uns liegende Wahlakt ist die erste Entscheidung, die der neu gewählte Nationalrat zu Beginn dieser Legislaturperiode treffen wird. Ich freue mich auch, dass unsere Fraktion – und ich kann das mit Stolz feststellen – einen hervorragenden Parlamentarier für die Position des Dritten Präsidenten des Nationalrates vorschlagen kann, und ich lade Sie alle hier in diesem Hause dazu ein, Herrn Abgeordneten Dr. Andreas Khol Ihre Stimme zu geben. (Beifall bei der ÖVP und demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir haben für alle Kandidaten ein Anforderungsprofil. Wir erwarten von den Kandidaten Verfassungstreue, Gesetzestreue, souveräne und objektive Vorsitzführung, Unparteilichkeit und Abstand zum Parteienstreit. Dieses Profil legen wir an alle Kandidaten des Präsidiums an. Für alle gilt das Gleiche, und wir messen sie daran. Wir müssen uns bewusst machen, dass es sich um das zweithöchste Staatsamt der Republik handelt, um ein Staatsamt von hohem symbolischen Gehalt.

Wir wissen noch nicht, wie die Zusammensetzung der kommenden Regierung aussehen wird. Derzeit sind Sondierungsgespräche über Zukunftsthemen im Gange, die dann sicher in Regierungsverhandlungen münden werden, und wir hoffen, dass es in den nächsten vier Jahren eine stabile Regierung geben wird.

Ich möchte – wie Abgeordneter Van der Bellen auch – meine Rede mit einer kleinen Geschichte, die symbolhaft ist, beenden, und zwar: Ein Vater wollte den Kindern eine unlösbare Aufgabe stellen. Er zerriss seine große Weltkarte in viele kleine Teile, gab ihnen dann Klebstoff, um diese Karte wieder zusammenzustellen. Und siehe da, innerhalb kurzer Zeit kamen die Kinder mit der fertigen, genau richtig zusammengesetzten Weltkarte wieder zum Vater zurück. Auf die Frage: Wie habt ihr das denn geschafft in dieser kurzen Zeit? erklärten ihm die Kinder: Auf der Rückseite dieser Karte war ein Mensch abgebildet, und wir wissen, wie ein Mensch auszusehen hat. Und als der Mensch in Ordnung war, war auch die Welt in Ordnung.

Wir wollen in diesem Sinne die Arbeit für die nächsten vier Jahre zum Wohle unserer Heimat beginnen, und dazu brauchen wir die Zusammenarbeit aller. (Beifall bei der ÖVP und demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Letzte Rednerin in dieser Debatte ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Redezeitrest: 6 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

11.28

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Die Vorredner der Regierungsparteien haben durchwegs Kritik geübt am Stil des Wahlkampfes, auch an der freiheitlichen Fraktion, haben dann aber doch ein Bekenntnis zu den Usancen dieses Hauses abgelegt. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) Ich frage Sie – auch Frau Dr. Mertel –: Was ist das Wesen von Usancen? Usancen machen den parlamentarischen Alltag leichter, lebbarer, Usancen sind aber eben kein Gesetz. Und Usancen sollen, ja müssen meiner Meinung nach dann zurücktreten, dürfen nicht eingehalten werden, wenn ansonsten Gefahr für dieses Land droht und wenn ansonsten auch das Ansehen dieser Republik Schaden nehmen könnte. Dann ist von diesen Usancen Abstand zu nehmen. Genau das ist das Wesen von Usancen. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Ich kann einen Abgeordneten Prinzhorn aus zwei Gründen nicht zum Präsidenten wählen. Der erste Grund ist, dass auch dieser Kandidat ein Kandidat ist, der auf ein wesentliches, ein entsetzliches Kapitel der Geschichte dieses Landes mit Unwissenheit, mit Verdrängen reagiert hat, obwohl es ihn selbst in einer ganz besonderen Art und Weise betrifft, nämlich auf die Geschichte der Arisierung mit den nationalsozialistischen Verbrechen in Österreich. (Abg. Scheibner: Sie missbrauchen die Opfer aus dieser Zeit für Ihre Partei


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