Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 12. Sitzung / Seite 177

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Dieses Land, Frau Kollegin Mertel, das er dort so begrüßt hat, hat zum gleichen Zeitpunkt noch die Aufmarschpläne gegen unsere österreichische Heimat auf dem neuesten Stand gehalten. Es wäre Zeit, dass Kollege Gusenbauer das einmal zurücknimmt und nicht immer bei den anderen die Gedächtnisleistung und die Trauerarbeit einfordert. Er soll einmal bei sich selbst zu trauern anfangen, Frau Kollegin Mertel! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Dieser Konflikt flammte nach dem Zerfall der Sowjetunion wieder auf und steigerte sich in seiner Grausamkeit vor allem auch durch das Verhalten – das stimmt – der russischen Streitkräfte. Trotzdem muss man aber, wenn man als Vermittler auftreten will – und das ist unsere Aufgabe in der OSZE –, auch die andere Seite, nämlich die Position der heutigen  – ich betone, der heutigen! – russischen Regierung sehen. Für sie ist es auch vor der eigenen Bevölkerung, realistisch gesehen, unmöglich, Gebiete aufzugeben, die nach ihrem Verständnis Teile Russlands sind. Wie langwierig, schwierig und blutig solche Trennungsprozesse selbst in starken und alten Demokratien sind, meine Damen und Herren, kann sogar heute noch in Westeuropa, am Beispiel Irlands – wenn auch Gott sei Dank in einer nicht ganz so grausamen Form – mitverfolgt werden.

Dazu kommt auch, dass in diesem Bereich die tschetschenische Seite zunehmend durch den radikalen Islam unterwandert und auch finanziert wird. Es ist sehr schwer, mit Fundamentalisten zu diskutieren, wie wir in diesem Hause auch bisweilen feststellen müssen. Besonders schwer wird es dann, wenn diese Fundamentalisten, wie es dort der Fall ist, auf beiden Seiten vertreten sind. Aber eines muss Russland in diesem Fall sicher ins Stammbuch geschrieben werden: Auch im Kampf gegen Terroristen muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Geltung haben.

Trotzdem müssen wir, eben weil wir gegenwärtig den OSZE-Vorsitz innehaben, versuchen, beide Parteien an einen Tisch zu bringen, was jetzt, nachdem ein zumindest vorübergehender Sieg Russlands mehr oder weniger festzustehen scheint, besonders schwierig wird. Dafür ist Äquidistanz notwendig, aber es ist vor allem in erster Linie notwendig, der Zivilbevölkerung zu helfen. Dazu dienen ja die hier in der Entschließung geforderten Maßnahmen, vor allem was den humanitären Bereich betrifft. Die Forderung nach einem Waffenstillstand dürfte jetzt im Wesentlichen überflüssig sein.

Wir unterstützen deshalb die Entschließung und wissen deren Umsetzung bei der Frau Bundesministerin in guten Händen. Es muss uns allerdings klar sein, dass der Konflikt selbst nicht isoliert gesehen und nicht isoliert gelöst werden kann, sondern nur im Rahmen dieser Großregion des gesamten Kaukasus, der leider ein einziges riesiges Gebiet von Konfliktzonen ist. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.55

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger. – Bitte.

20.55

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Zur Situation in Tschetschenien haben meine Vorredner schon einiges gesagt. Ich möchte ergänzen, dass auch dann, wenn die Russische Föderation nun offenbar das Land unter Kontrolle hat, auf der anderen Seite gesehen werden muss, um welchen Preis das geschehen ist. Die Zahl der Opfer in der Zivilbevölkerung ist wahrscheinlich noch gar nicht bezifferbar. Grosny ist insgesamt eine Ruinenstadt, 200 000 Flüchtlinge sind irgendwo im Grenzgebiet, zum Teil unter freiem Himmel, das Flachland ist devastiert, durch die Zerstörung der Raffinerien ist das Grundwasser verseucht – das ist die Bilanz eines solchen Krieges. Das sollte uns wirklich allen zu denken geben.

Die Russische Föderation begründet die Lage damit, dass man Terror bekämpfen muss. Ich stimme einerseits zu, dass man Terrorismus nicht zusehen kann, sondern ihn durchaus bekämpfen muss. Andererseits ist es jedoch die Aufgabe jedes Staates, Menschenrechtsverletzungen hintanzustellen. Auch wenn ein so mächtiger Staat wie die Russische Föderation in dieser Staatengemeinschaft der Welt viel Einfluss hat, muss klar gesagt werden: Auch für sie gelten die Menschenrechte und auch für uns gilt, dass jeder, der die Menschenrechte verletzt,


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