Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel:
Herr Abgeordneter Bösch! Sie wissen, dass wir in unserem Regierungsprogramm vereinbart haben, einer guten Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern größtes Augenmerk zu schenken. Ich hoffe sehr, dass die schon lange geäußerten Wünsche und Anliegen der Bundesländer in einem umfassenden Verbesserungswurf, der dem Bundesstaatsgedanken Österreichs tatsächlich Rechnung trägt, besser erfüllt werden.Folgende Sofortmaßnahmen halte ich für vordringlich: erstens die Einrichtung einer Landes-Verwaltungsgerichtsbarkeit. – Ich habe schon erwähnt, dass vor allem im Hinblick auf Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention Angelegenheiten, die nach unserem innerstaatlichen Verwaltungssystem dem Verwaltungsrecht zuzurechnen sind, so genannte zivilrechtliche Ansprüche sind. Dazu brauchen wir eine Verwaltungsinstanz, eine Gerichtsbarkeit erster Instanz, weil nur sie die Gewähr dafür bietet, dass die Anforderungen an die Konvention erfüllt werden.
Damit wird auch die Überlastung, die es jetzt bei den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts gibt, deutlich gemindert. Es kommt beinahe schon einer Rechtsverweigerung gleich, wenn man jahrelange Wartezeiten hat. – Ich meine, dass damit auch ein verbesserter Rechtsschutz für den Einzelnen gewährleistet ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Wir wollen darüber hinaus in einer umfassenden Novelle zum Bundes-Verfassungsgesetz das so genannte Ländermodell, das die Bundesländer am 20. Mai 1998 in Salzburg beschlossen haben, verankern. Dabei sollen die Landes-Verwaltungsgerichte die Möglichkeit einer grundsätzlichen kassatorischen Entscheidung bekommen.
Das zweite große Thema, das vor allem für die Wirtschaft, für den Standort Österreich und damit für die Arbeitsplätze sehr wichtig ist, ist ein modernes Anlagenrecht. Wir wollen den Weg zu einem einheitlichen Anlagenrecht fortsetzen. Als erste Stufe – das soll noch in den ersten 100 Tagen dieser Regierung geschehen – soll die Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinien erfolgen. Als zweiter Schritt soll dann ein bundeseinheitliches Anlagenrecht durchgeführt werden.
Der dritte Punkt ist die Auflassung der mittelbaren Bundesverwaltung. Wir bekennen uns zur Ausarbeitung eines umfassenden Bundesverfassungsgesetzes, in dem die Auflassung der mittelbaren Bundesverwaltung verankert sein soll. Grundsätzlich sollen die in mittelbarer Bundesverwaltung vollzogenen Angelegenheiten in Artikel 11 kommen. Darüber hinaus sollen aber auch bisherige Angelegenheiten von Artikel 10 in Artikel 11 übertragen werden.
Mit Ausnahme des Anlagenrechts – darauf möchte ich schon hinweisen – sind das Materien, die die Zweitdrittelmehrheit benötigen, und ich lade schon jetzt alle Fraktionen hier im Hohen Hause dazu ein, entsprechende politische Gespräche aufzunehmen, damit diese wichtigen Länderanliegen so rasch wie möglich umgesetzt werden können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Präsident Dr. Heinz Fischer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.
Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Welche Einsparungsmöglichkeiten sehen Sie in einer Neufassung, in einer Neustraffung des Kompetenzkataloges zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, und können Sie das beziffern?
Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Das kann man natürlich jetzt nur schwer ganz genau und konkret beziffern, aber es könnte sicherlich in der Größenordnung von einigen hundert Millionen Schilling liegen – wobei das natürlich nicht nur beim Bund anfallen würde, sondern wahrscheinlich die größeren Einsparungspotentiale bei den Ländern und Gemeinden liegen würden, was mich aber überhaupt nicht stört, da wir ein gemeinsames Stabilitätsziel vertreten wollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte.