Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 13. Sitzung / Seite 25

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verbänden bereits begonnen. In den nächsten Wochen werden auch Verhandlungen mit der amerikanischen Regierung begonnen. Denn es soll ja eine umfassende – in politischer Hinsicht und nicht in rechtlicher, denn Verpflichtungen Österreichs gibt es ja auf Grund des Staatsvertrages nicht – freiwillige moralische Wiedergutmachung geleistet werden. Ich hoffe, dass wir noch in diesem Jahr die Verhandlungen so weit bringen, dass wir dem Hohen Hause eine Lösung vorschlagen können. Es wird dann ein Gesetz notwendig sein, und ich bitte in Folge sehr um rasche Unterstützung und Beschlussfassung. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Stoisits. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Selbstverständlich ist mir diese von Ihnen erwähnte Entschließung, in der es um Opfer im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg geht, bekannt, denn wir haben ja auch daran mitgewirkt.

Aber, Herr Bundeskanzler – und das meine ich wirklich ernsthaft –, in Demut vor den Opfern des NS-Regimes, für die auch Österreich Mitverantwortung trägt, die auch von Mitgliedern der Bundesregierung, aber auch vom Hohen Hause eingestanden wurde – nicht zuletzt dadurch, dass wir den Nationalfonds für die Opfer des NS-Regimes hier eingerichtet haben –, frage ich Sie jetzt noch einmal: Ist es wirklich Ihre ehrliche Überzeugung, dass die Vertreibung der Sudetendeutschen, die ein wirklich großes Unrecht der Geschichte darstellt und unendliches Leid mit sich gebracht hat, gleichzusetzen ist mit dem Terror und der Vernichtungsherrschaft des NS-Regimes, durch das Millionen von Menschen maschinell und industriell vernichtet wurden? Mir geht es darum, dass ich aus Ihrem Munde höre, Herr Bundeskanzler, wie Sie hier die Differenzierung im Hinblick auf die Verantwortung dieses Landes vornehmen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich verweise auf meine frühere Antwort. Ich habe bewusst darauf verzichtet, hier Aufrechnungen, Gegenrechnungen, Junktims aufzustellen, weil das nicht sinnvoll ist. Wir wollen uns um sachgerechte und ehrliche Lösungen auf allen Ebenen bemühen, wo entweder wir eine moralische Verantwortung auf uns geladen haben oder anderen Menschen, Opfern tiefes Unrecht geschehen ist. Ich meine, Menschenrechte sind universell, und daher sollten wir das auch durchaus in diesem Gesamtzusammenhang sehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Dr. Einem. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Man hat gestern in der parlamentarischen Debatte den Eindruck gewinnen können, als ob ein Mitglied der Fraktionen, die Ihre Regierung stützen, der Auffassung wäre, dass die ungerechte Vertreibung der Sudetendeutschen gleichzusetzen wäre mit der Ermordung von eineinhalb Millionen Armeniern vor 85 Jahren.

Die Art der Textierung des Koalitionsabkommens auf Seite 9 – es ist heute schon zitiert worden (Zwischenrufe des Abg. Dr. Khol sowie von Abgeordneten der Freiheitlichen)  – legt den Verdacht nahe, als ob auch Sie der Meinung wären, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter wären gleichzusetzen.

Ich darf daher die Frage stellen: Herr Bundeskanzler! Welchen Unterschied sehen Sie in der Vorgeschichte dieser beiden "Zwangsaufenthalte", und welche Unterschiede in der Behandlung dieser Schicksale leiten Sie daraus ab?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Wir wollen uns jetzt nicht auf eine historische Debatte einlassen, sondern ganz unabhängig davon den Opfern helfen. Die Opfer dieser Zeiten – und das sind Zeiten, die jetzt 55 Jahre zurückliegen – sind in einem Alter, in dem sie von juristischen Haarspaltereien gar nichts haben.


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