Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 46. Sitzung / Seite 90

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Eines darf ich noch sagen: Die Bestimmung, die wir heute hier verabschieden, nämlich eine Ergänzung unserer Bundesverfassung, ist aus meiner Sicht nicht unbedingt eine legistische Glanzleistung. Das bekenne ich auch in aller Offenheit ein. Aber alle Parteien in diesem Hohen Hause, inklusive der grünen Fraktion, haben die wirtschaftliche Notwendigkeit erkannt. Der Verfassungsgerichtshof hat bekanntlich eine Verbesserungsfrist bis Ende dieses Jahres eingeräumt. Alle Parteien haben erkannt, dass es dringend notwendig ist, ein Provisorium bis 31. August des nächsten Jahres zu schaffen, aber dann sollte wirklich in Zusammenarbeit aller Parteien und unter Mitwirkung der Länder ein großer Wurf in Richtung eines einheitlichen Vergaberechtes gelingen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.42

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

14.42

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Es ist in der Tat so, dass das Überstimmen des Verfassungsgerichtshofes mittels einer Verfassungsmehrheit demokratiepolitisch nicht unproblematisch ist. Die andere Lösung würde aber Rechtsunsicherheit bedeuten und vor allem signalisieren, dass der Bund, das Parlament, auch nicht in der Lage ist, einen einheitlichen Verhandlungsstandpunkt zu formulieren.

Gleichzeitig wissen wir, dass nicht nur im Vergaberecht, sondern auch in etlichen anderen Materien – ich sage gerne dazu: Gott sei Dank! – ein Fortschritt des Rechtsbestandes der Europäischen Union erkennbar ist, und zwar in den Fragen der Gleichstellung von Frauen, der Nicht-Diskriminierung behinderter Menschen und der Nicht-Diskriminierung von Menschen auf Grund ihrer ethnischen Abstammung und Religion. In all diesen Materien werden wir einen gewaltigen Anpassungsbedarf auf einfachgesetzlicher Ebene in Österreich haben.

Auf Grund des historisch gewachsenen Föderalismus und der Ausprägungen des Föderalismus bedeutet das etwa im Arbeits- und Sozialrecht oder auch im Vergaberecht die Notwendigkeit der Anpassung von zahllosen Materiengesetzen – mit der Unsicherheit, dass diese Anpassung nicht zum gleichen Zeitpunkt erfolgen kann, da die Tagungsperioden, die Abstimmungserfordernisse in allen Ländern, in den Städten mit eigenem Statut unterschiedlich sind. Das heißt, wir laufen auf der einen Seite Gefahr, dass auf der einen oder anderen Ebene Gebietskörperschaften verurteilt werden, weil sie mit der Anpassung zu langsam sind, und auf der anderen Seite – das ist das besonders Gefährliche – besteht für die Bürgerinnen und Bürger die Gefahr, dass ihr Rechtsschutz unterschiedlich ist.

Daher ist diese Vorgangsweise unschön, aber auch ich habe in der gegenwärtigen Situation keine bessere Lösung erkannt, und ich sehe unsere, die grünen Anliegen durchaus auch insofern gewahrt, als es einen Vier-Parteien-Entschließungsantrag gibt, der besagt, in welche Zielrichtung die künftigen Verhandlungen zu führen sind. Ich glaube, wenn wir mit den Ländern ernsthafte Verhandlungen führen, den Ländern auch Zeit geben, ihre Gegenforderungen zu stellen, dann kann ein sehr modernes, ein vernünftiges neues Vergaberecht herauskommen. Ich würde mir sehr wünschen, dass darin in verfassungskonformer Art und Weise auch jene Unternehmungen und Betriebe belohnt werden, die es mit der Gleichstellung von Frauen und mit dem Abbau aller Barrieren ernst nehmen. (Beifall bei den Grünen.)

In diesem Sinne stimmen wir sowohl diesem Verfassungsgesetz als auch dem Vier-Parteien-Entschließungsantrag zu.

Ich betone zuletzt, dass ich auch das Verhandlungsklima, das wir bei den Gesprächen um künftige Verfassungsreformen trotz aller Gegensätzlichkeiten in diesem Haus bisher bewahren konnten, sehr zu schätzen weiß, und ich hoffe, dass wir etwa auch in der Frage der Massenverfahren zu einem ähnlich konstruktiven Ergebnis und in der Folge zu einer guten Legistik kommen werden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.46

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite