Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 76. Sitzung / Seite 60

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ausgezeichnet –, so war es wohl zuletzt auch die Sozialversicherung. Ich zitiere niemand Geringeren als Präsidenten Sallmutter, der in einem "ZiB 2"-Interview vor einigen Tagen gesagt hat – und das war offensichtlich sehr ehrlich gemeint; viele von uns haben dieses Interview gesehen, das war emotional, das war Ehrlichkeit –, Sallmutter im Originalton:

Das war für mich der politische Bereich: Sozialversicherung, "Konsum", der Bildungsbereich. Der "Konsum" – ein Fuß ist weg, der Bildungsbereich höchstens manches Mal noch eine leichte Stütze. Und wenn der Sozialversicherungsbereich weg ist, dann ist wieder etwas weg.

Frage der Redaktion: Sozialdemokratie weg? – Sallmutter: Arbeiterbewegung, für mich ist das die Arbeiterbewegung. Und auf einem Fuß zu stehen als Arbeiterbewegung, das ist nicht gut. – Zitatende. (Abg. Silhavy: Haben Sie etwas gegen Arbeiter?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt frage ich Sie: Ist es im Interesse der Versicherten, Stütze der Sozialdemokratie, Säule der Arbeiterbewegung zu sein? Das scheint mir doch höchst zweifelhaft zu sein. Und wenn Sie so viel von Abstimmung und Befragung reden: Fragen Sie einmal Österreichs Versichertengemeinschaft, ob es für sie ein primäres Ziel ist, im Sinne des Präsidenten Sallmutter eine Stütze der Arbeiterbewegung und eine Säule der Sozialdemokratischen Partei dieses Landes zu sein! Ich glaube nicht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.59

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

11.59

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister für Soziales und Generationen! Herr Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit! Herr Staatssekretär für Gesundheit! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist schon bezeichnend, wenn zwei Bundesminister und ein Staatssekretär bei so wichtigen sozialpolitischen Materien auf der Regierungsbank sitzen. In der Vergangenheit, als die SPÖ den Sozialminister gestellt hat, ist er einsam und verlassen hier gesessen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Den jeweiligen Bundeskanzler wie Klima oder (der Redner stockt kurz) Franz Vranitzky – den habe ich schon wieder vergessen; der war so unbedeutend (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP)  – hat man oft herzitieren müssen.

Der Herr Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes ist leider jetzt nicht hier, aber vielleicht hört er mich draußen irgendwo in den Couloirs; man wird ihm das auch berichten, aber Herr Nürnberger ist ja noch im Hause. Wenn ich mir seinen Redebeitrag so angehört habe – und Sie konnten das ja auch verfolgen – und die Arbeiterbewegung der letzten 130 Jahre Revue passieren lasse, dann muss ich sagen, es sind die Probleme, die die österreichische Gewerkschaft heute hat, offensichtlich geworden.

Damals kämpften die Gewerkschaften noch um Kollektivverträge, um Mindestlöhne, kämpften gegen das Establishment in Österreich und für das Wahlrecht sowie für die Interessen der arbeitnehmenden Bevölkerung. – Heute ist die Arbeiterbewegung, also der Gewerkschaftsbund oder auch die Arbeiterkammer, selbst Teil eines Establishments und verteidigt nur ihre Position: ihre Position und die ihrer Funktionäre, aber nicht die der Versicherten! (Zwischenrufe der Abg. Silhavy. )  – Frau Kollegin, die verteidigen Sie nicht, sondern es geht Ihnen lediglich um die Funktionäre!

Dazu, dass der Herr Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes sagt, ein Generalstreik sei seiner Meinung nach dann gerechtfertigt, wenn die "Demokratie gefährdet ist": Die Demokratie ist meiner Meinung nach überhaupt nicht gefährdet – und so empfindet das auch der Großteil der Österreicher –, sondern die Demokratie wird durch die Reform der Sozialversicherungen hin zu mehr Versichertennähe bedeutend ausgebaut. Es gibt mehr Demokratie, wenn wir diese Reform jetzt umsetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Die Abgeordneten Dr. Grünewald und Öllinger: Wo gibt es mehr Demokratie?) – In den


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