Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 87. Sitzung / Seite 203

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Dass die Opposition bei diesen Verhandlungen in letzter Minute abgesprungen ist, stimmt mich wirklich sehr traurig, und ich möchte Ihnen daher die Frage stellen: Was ist Ihnen mehr wert: die Sicherheit Österreichs oder Parteiideologie? (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Leikam. )

20.29

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte.

20.30

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in dieser Debatte schon vieles gesagt worden, und ich kann einem Teil von dem, was die Kollegin Hartinger gerade gesagt hat, durchaus einiges abgewinnen, denn auch für mich ist der Sicherheitsbegriff dieser Regierung zu eng gefasst.

Man muss sich die Frage stellen, was diesen Bereich der Sicherheit eigentlich ausmacht. – Nicht von ungefähr spricht man in der Wissenschaft von "comprehensive security", also von umfassender Sicherheit. Und ich darf Sie daran erinnern, meine Damen und Herren von der schwarz-blauen Regierung, dass Sie etwa den Bereich der sozialen Sicherheit sträflich vernachlässigt haben! Die Maßnahmen Ihrer Regierung vor allem gegen die sozial schwächeren und älteren Menschen destabilisieren das generelle Gefühl der Sicherheit.

Aber auch im Bereich der Verteidigungspolitik muss die Sichtweise ganz einfach breiter sein. Gerade seit den Ereignissen des 11. September muss man verstärkt auch den kriminellen und terroristischen Bereich in die Überlegungen mit einbeziehen und wirksame Maßnahmen ergreifen. Für den Bereich der internationalen Zusammenarbeit und für eine länderübergreifende Zusammenarbeit vor allem der Exekutive müssen genug Personal und entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Daran fehlt es, und es fehlt auch an Ausbildungsmöglichkeiten!

Es ist mir wichtig, heute hier auch klarzustellen, dass für die SPÖ die Neutralität, mit der wir bis jetzt immer gut gefahren sind, zu wichtig ist, um sich sang- und klanglos von ihr zu verabschieden. Meine Damen und Herren! Die Neutralität ist ein Teil unserer Identität, und sie wurde noch von keinem Staat der Welt in Frage gestellt, weder in Zeiten des Kalten Krieges noch im Rahmen der Erweiterung der Europäischen Union. Einzig und allein die Österreichische Volkspartei versucht die Neutralität immer wieder in Frage zu stellen, und diesbezüglich befindet sie sich nun einmal im klaren Gegensatz zur österreichischen Bevölkerung. Wir brauchen nicht auf Stimmenfang zu gehen, sondern wir sind in diesem Punkt eins mit den Menschen in diesem Land, denn viele Umfragen zeigen, dass weit mehr als 60 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher für die Beibehaltung der Neutralität eintreten.

Meine Damen und Herren! Auch im Zusammenhang mit der neuen Sicherheitsdoktrin zieht sich die Aushöhlung unserer Neutralität wie ein roter beziehungsweise eher wie ein schwarzer Faden durch alle von der ÖVP geführten Diskussionen. Die Strategie scheint klar zu sein: Zuerst will man das Wort "Neutralität" möglichst aus allen Papieren verbannen, und dann – das ist das Kalkül dieser Regierung – wird die Aushöhlung der Neutralität munter voranschreiten. – Ich kann Ihnen aber versprechen, dass diese Rechnung nicht aufgehen wird, meine Damen und Herren, denn die SPÖ fühlt sich dem Wert der Neutralität verpflichtet! (Beifall bei der SPÖ.)

Die ÖVP sollte eher danach trachten, unseren hervorragenden Ruf in der Welt als verlässlicher neutraler Gesprächspartner nicht in Rekordzeit zu ruinieren! Weder Vetodrohungen noch Falschspielereien mit Spielkarten im Ärmel wie etwa bei der Causa Temelín gereichen unserem Land zum Vorteil!

Natürlich haben sich die Rahmenbedingungen seit 1955 geändert, doch nach wie vor hat die Neutralität ihre absolute Berechtigung. Die Neutralität hat auch für Europa eine wichtige Funktion, sowohl ex lege als auch in der Praxis. (Bundesminister Scheibner: Welche?) Von den derzeit 15 Staaten sind elf, wie Sie wissen, Herr Bundesminister, in einem Militärbündnis. Es steht aber in keinem Papier festgeschrieben, dass sich dieses Verhältnis noch mehr in Richtung NATO entwickeln muss, und deshalb versteht hier kaum jemand das ewige Balzen der


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