Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 92. Sitzung / Seite 16

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ein kritisches Bekenntnis zur Verantwortung von Österreicherinnen und Österreichern innerhalb des NS-Regimes sowie das Bedauern über das daraus entstandene Leid und Unrecht ausgedrückt werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Außenministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich möchte diesbezüglich darauf hinweisen, dass sich die Position Österreichs natürlich von jener Deutschlands grundlegend unterscheidet. Die Bundesrepublik Deutschland ist bekanntlich im Unterschied zu Österreich Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches. Österreich war zwischen 1938 und 1945 als Staat völkerrechtlich nicht handlungsfähig.

Das schließt aber natürlich nicht aus, dass einzelne Österreicherinnen und Österreicher Schuld an Nazi-Verbrechen hatten, diese aktiv unterstützten oder zumindest stillschweigend zur Kenntnis nahmen. Österreich hat daher Maßnahmen der Restitution und Entschädigung für NS-Opfer und ehemalige Sklaven- und Zwangsarbeiter ergriffen, die auch tschechischen Staatsbürgern zugute kommen.

Weiters darf ich sagen, dass die deutsch-tschechische Erklärung, die inzwischen abgegeben wurde, auch eine historisch andere Lage anspricht und ein völlig analoges Vorgehen daher nicht der richtige Weg ist. Die Tschechische Republik hat aber meiner Ansicht nach selbst Mittel und Wege zu finden, historisches Unrecht einzusehen, einzugestehen, dafür die moralische Verantwortung zu übernehmen und eine Weiteranwendung der Rechtsnormen, auf denen dieses Unrecht basiert, zu beenden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Sehr geehrte Frau Ministerin! Wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, dann haben Sie nicht vor, einen derartigen Passus in einer eventuell zu formulierenden österreichisch-tschechischen Erklärung unterzubringen.

Wie sieht Ihre Haltung für den Fall, dass die Beneš-Dekrete nicht vor dem EU-Beitritt Tschechiens aufgehoben werden, aus? Planen Sie dann, ein Veto gegen den Beitritt Tschechiens einzulegen – Sie haben ja gesagt, diese seien ein Hindernis für den Beitritt – oder nicht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Meine Meinung war immer, dass ich für die Interessen der Österreicher gegenüber unseren Nachbarn eintrete, und ich erwarte mir daher Gesten und Symbole der Versöhnung und der Völkerverständigung.

Frau Abgeordnete! Deshalb bemühe ich mich seit zwei Jahren, zusammen mit dem tschechischen Außenminister Kavan, der Historikerkonferenz und den Völkerrechtlern, die an diesem Problem arbeiten, diese Frage aufzuarbeiten, und zwar gelassen und in Ruhe aufzuarbeiten, und ich gehe davon aus, dass sie vor der Ratifikation des Beitrittes gelöst sein wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Heinzl, bitte.

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sie haben am 24. Jänner in einem Interview in der "Zeit im Bild" überraschend angekündigt, dass ein EU-Beitritt Tschechiens von der Abschaffung der Beneš-Dekrete abhängen wird.

Ich frage Sie, Frau Ministerin: Schließen Sie nunmehr im Zusammenhang mit den Beneš-Dekreten ein Veto der österreichischen Bundesregierung betreffend den Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union dezidiert aus? (Abg. Mag. Schweitzer: Die Frage war schon!  – Abg. Ing. Westenthaler: Irgendwie haben wir die Frage schon gehabt! Sie wurde schon beantwortet! – Abg. Dr. Ofner: Hören tut er auch schlecht!)


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