Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 249

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22.41

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Als wir am 24. Juni zu Mittag ... (Rufe und Gegenrufe zwischen Abg. Dr. Mertel und Abg. Dr. Partik-Pablé. – Ich warte jetzt, bis die werten Damen und Herren bereit sind, mir zuzuhören. Vielleicht ist das möglich? (Ruf bei den Freiheitlichen: Die Mertel muss ein bissl aufpassen!)

Als wir am 24. Juni dieses Jahres zu Mittag die Nachricht bekamen, dass der Verfassungsgerichtshof den § 209 aufgehoben hat, gab es im ersten Moment große Freude. Endlich! Endlich etwas, was die ÖVP seit Jahren und Jahrzehnten verhindert hat. Die anderen haben auch mitgeholfen. Endlich etwas, damit Österreich von dieser Schlusslicht-Position wegkommt, was Menschenrechte betrifft, Menschenrechte für schwule Männer. Die Freude war leider etwas kurz und auch etwas gedämpft. Anstatt dass die Regierungsfraktionen diese Aufhebung als Auftrag nehmen, endlich tatsächlich Anti-Diskriminierungsbestimmungen zu schaffen, tatsächlich die Gleichstellung für Lesben und Schwule in diesem Land voranzutreiben – was tun sie stattdessen? –, schaffen sie eine angebliche Ersatzlösung.

Ersatz für etwas, was keinen Ersatz braucht, denn diese Aufhebung des § 209  sollte ersatzlos stattfinden. Sie schaffen eine angebliche Ersatzlösung, reparieren das, machen etwas anderes. Minister Böhmdorfer hat vorhin gesagt, dass sie das jetzt dazu nutzen, um den Missbrauch von Jugendlichen einzuschränken. Das Problem ist aber: Dieser § 209 braucht keinen Ersatz, er gehört ersatzlos gestrichen. Aus! Punkt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist wirklich nicht verständlich, und das ist heute schon ein paar Mal gesagt worden: Seit mehr als 100 Jahren gibt es diese Regelung mit 14 Jahren, und niemandem ist eingefallen, das zu ändern – auch nicht der ÖVP vor zehn Jahren, als sie an der Regierung war, als es einen Ministerratsbeschluss gab, in dem stand, dass die bestehenden Strafbestimmungen zum Kinder- und Jugendschutz ausreichend seien. Das war 1992, ein Ministerratsbeschluss mit der ÖVP mittendrin. Damals ist Ihnen das nicht eingefallen? Jetzt auf einmal kommen Sie darauf, dass die jungen Mädchen und Buben stärker geschützt werden müssen? – Sehr spät, und vor allem aus einem Anlass, der keiner ist.

Da der Herr Minister begründet hat, warum Sie das jetzt so rasch gemacht haben, frage ich mich wirklich, wieso Sie nicht einfach den Satz hineinschreiben, der in unserem Entschließungsantrag, der übrigens von Frau Stoisits bereits eingebracht worden ist, steht: § 209 entfällt. – Aus! Das hätte völlig gereicht! Die Regelung, die Sie jetzt vorschlagen, hat mit dem § 209 überhaupt nichts zu tun. Deswegen hätten Sie überhaupt nicht rasch zu reagieren brauchen, deswegen wäre es nicht notwendig gewesen.

Wenn Sie etwas gegen den Missbrauch hätten tun wollen, wenn Sie etwas gegen Zuhälterei von Jugendlichen hätten tun wollen, hätten wir darüber schon reden können. Diese Missbräuche gibt es tatsächlich! Aber so husch-pfusch drüberfahren? Wissen Sie, was das heißt? "Speed kills intelligence", "speed kills" intelligente Lösungen. (Abg. Ing. Westenthaler: Keine schnellen Denker, die Grünen!) Was es außerdem noch bedeutet: "speed kills safety". Sie sagen: Damit gibt es mehr Sicherheit für junge Leute. – Das stimmt nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sicherheit, gerade in einem Alter, in dem junge Menschen Dinge selber herausfinden wollen, in der Pubertät sind und ihre ersten sexuellen Erfahrungen machen: Sie haben einen Anspruch und ein Recht darauf, dass sie sicher sind, wenn sie sexuelle Beziehungen eingehen. Was Sie da machen, ist aber, neue Unsicherheit zu schaffen. Wer klärt denn, wer "sexuell unreif" ist?

Wie war denn das bei Ihnen, Frau Kollegin Fekter? – Es gibt da eine Aussage von Ihnen in einer Ausgabe des "Falter" aus dem Jahr 1996: "Ich war 15, als ich es das erste Mal tat." Wie wäre das nach dem neuen Gesetz, das Sie jetzt einführen? (Abg. Dr. Fekter: Ich bin nicht missbraucht worden!) Würde das heißen, dass Ihre Eltern damals, wenn sie gemeint hätten, dass Ihr Freund damals, der – ich weiß nicht – 17, 18, 19, 20, 21 vielleicht 25 war, das tat,


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