Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 1. Sitzung / Seite 49

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tritts­pro­zessen, ein objektives Kriterium, einen Report vorlegen: Erfüllt die Türkei die politi­schen und wirtschaftlichen Kriterien – ja oder nein?

Ich sage ganz offen dazu: Die Tür muss offen bleiben – das ist klar –, aber nur für diejenigen, die wirklich der Meinung sind, dass sie auch den gleichen Wertekanon mit uns verbinden, dass sie wissen, was Demokratie, Menschenrechte, Pluralismus letztlich bedeuten, was Völkerrecht und Rechtsstaatlichkeit bewirken. Diese Kriterien müssen ein für alle Mal geklärt sein, dann kann ein solcher Kandidat mit den Beitrittsverhandlungen beginnen: nicht, wenn erst das Prinzip Hoffnung gilt, sondern die Kriterien, die politischen Kriterien, müssen dabei erfüllt sein.

Ich sage gleichzeitig auch dazu, dass die Union selbst erweiterungsfähig und erweiterungswillig sein muss, überhaupt in einem solch schwierigen Prozess, wo jetzt gerade die Beitritts­perspek­tive für zehn Länder aufgemacht wurde. Ich sage ganz offen: Wenn man die Türkei in den Ver­hand­lungsprozess einbindet, dann muss man den Mut haben, gleichzeitig aber auch Balkanlän­dern, wie Kroatien oder Jugoslawien, eine mindestens genauso klare und deutliche Perspektive zu geben.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend Folgendes sagen: Österreich wird mit die­sem Europäischen Rat von Kopenhagen das einzige Land sein, das vier Nachbarländer hat, die demnächst neue Mitglieder sein werden. Wir rücken damit von der Peripherie ins Zentrum Europas. Wir haben eine faszinierende Aufgabe vor uns: die Grenzregionen zu entwickeln – wirt­schaftlich, kulturell, bildungsmäßig. Das Ziel der Bildungsministerin ist es, in den Schulen ent­lang der Grenze immer auch die Sprache des jeweiligen Nachbarlandes mit anzubieten. Dass wir diese Chancen nützen, dafür sorgt das Netzwerk der regionalen Partnerschaft, das un­sere Außenministerin Benita Ferrero-Waldner großartig geknüpft hat und das gerade für die nächsten Jahre allergrößte strategische Bedeutung bekommen wird. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.20


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Mag. Schweitzer. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.20


Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Außen­ministerin! Werte Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Freiheitlichen ha­ben uns auch im Regierungsübereinkommen zur Erweiterung der Europäischen Union be­kannt. Aber ich sage, wir stehen auch dieser Erweiterung – in der Form, wie sie jetzt über die Bühne gegangen ist – etwas kritisch gegenüber.

Herr Bundeskanzler! Wir wissen, dass die Europäische Union klare Regeln definiert hat, die zu erfüllen sind, wenn man Mitglied der Europäischen Union werden will. Immer wieder kann man sich jedoch des Eindrucks nicht erwehren, dass man dann, wenn ein Beitrittsdatum näher rückt, vom Einhalten dieser Regeln abrückt. Es werden Spielregeln, die eigentlich dazu aufgestellt wer­den, dass das Zusammenspiel funktioniert, auf einmal nicht zur Gänze eingehalten, es wer­den Spielregeln zum Teil gebrochen. Und das ist etwas, was abzulehnen ist; vor allem deshalb, weil wir feststellen müssen, dass es immer wieder große Länder sind, die sich dann, wenn eigene Interessen betroffen sind, nicht an die Spielregeln halten.

Nachdem wir keine Gelegenheit gehabt haben, hier in diesem Haus darüber zu diskutieren, möch­te ich in Erinnerung rufen, dass es erst vor kurzem eine Diskussion über die Einhaltung des Stabilitätspaktes gegeben hat. Dieser Stabilitätspakt wurde vom Finanzminister jenes Lan­des eingeführt, besonders verfochten und vertreten, das dann gesagt hat, es halte sich nicht mehr an das, was es von der Europäischen Union gefordert hat. – Eine solche Vorgangsweise ist abzulehnen!

In diesem Zusammenhang haben die kleinen Länder den Auftrag, gemeinsam dagegen auf­zu­treten, dass die Spielregeln nur dann eingehalten werden müssen, wenn kleine Länder betrof­fen sind, große hingegen können sie brechen. So kann es nicht gehen! (Beifall bei den Freiheit­li­chen.)

 


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