8. Punkt
Erste Lesung:
Antrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und
Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und
das Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrats geändert werden (22/A)
Präsident Dipl.-Ing. Thomas
Prinzhorn: Schließlich gelangen wir zum
8. Punkt der Tagesordnung.
Wir gehen in die Debatte ein.
Das Wort erhält zunächst die Antragstellerin, Frau
Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.
14.44
Abgeordnete
Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Nach der Debatte über die Studiengebühren zurück zur
Geschäftsordnung und zur Bundesverfassung. Heute Vormittag war sehr oft die
Rede von Minderheitenrechten, von Rechten des Parlaments, sogar von Rechten
der Tiere – ich möchte nun auf andere Rechte zu sprechen kommen, nämlich
auf die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern. Es geht dabei um einen Antrag
hinsichtlich des Weitergeltens von Volksbegehren über eine Legislaturperiode
hinaus. Es ist das im Wesentlichen ein Antrag, der darauf ausgerichtet ist, die
direktdemokratischen Instrumente, die wir in der Bundesverfassung haben, zu
stärken und aufzuwerten.
Ich möchte dazu ein paar allgemeine politische
Bemerkungen machen, ein paar allgemeine Gedanken und dann ein paar besondere
Argumente bringen.
Die allgemeinen Bemerkungen: Seit 1995 ist
Österreich Mitglied der Europäischen Union, und damit hat sich einiges
verschoben: Viele Kompetenzen sind von Österreich nach Brüssel abgewandert,
von der nationalen Ebene auf die europäische Ebene, haben dort aber keine voll
demokratisierte Europäische Union vorgefunden. Und im Grunde sind wir jetzt bei
zwei ganz wichtigen Projekten schon sehr stark im Rückstand, nämlich auf der
einen Seite, was die Demokratisierung der Europäischen Union betrifft und auch
da die Rechte der Bürgerinnen und Bürger, auf der anderen Seite auch
hinsichtlich der Aufwertung von direktdemokratischen Mitsprachemöglichkeiten
von Bürgerinnen und Bürgern in der österreichischen Bundesverfassung. Diese
Diskussion wäre aber bei einer allfälligen Debatte über die Bundesstaatsreform
sehr wichtig, wobei es meiner Meinung nach nicht nur darum geht, die Rechte
zwischen den Ebenen – zwischen Bund, Ländern und Gemeinden; dem
Gebühren-Einheben, Steuern-Einheben – zu diskutieren, sondern auch die
Frage: Wo können Bürgerinnen und Bürger mehr mitreden und auch direkt mehr
beeinflussen und gestalten?
Die besonderen Argumente, was das Weitergelten von
Volksbegehren betrifft, sind sehr nachvollziehbar und liegen auf dem Tisch. Es
ist einfach nicht einzusehen, warum ausgerechnet ein Volksbegehren, das wenige
Monate oder wenige Wochen vor dem plötzlichen Zusammenbrechen einer Regierung
eingebracht wurde, keine Behandlung im Nationalrat erfahren soll, andere jedoch
schon. Das ist eine große Ungleichbehandlung.
Diese Handhabung beruht auf keiner expliziten
Gesetzesbestimmung, sondern auf einem Umkehrschluss des
Geschäftsordnungs-Paragraphen 46 Absatz 4, nämlich dem so genannten
Diskontinuitätsprinzip – das ist ein sehr schwieriges Wort. Diesen Schluss
leitet man davon ab, dass Anträge von Abgeordneten in der nächsten
Legislaturperiode ja unter Umständen nicht mehr behandelt werden könnten, weil
diese Abgeordneten nicht mehr im Nationalrat vertreten sind. Das Volk
allerdings, das Volk ist unveränderlich, das Volk ist immer da.
Warum man diesen Diskontinuitätsgrundsatz – das ist wirklich ein schwieriges Wort –, dieses Prinzip auch auf die Volksbegehren überträgt, ist eigentlich nicht nachvollziehbar, es ist ungerecht. Es ist mit einem sehr großen Aufwand, auch einem sehr großen finanziellen Aufwand für viele Bürgerinnen und Bürger, die sich um solch ein Volksbegehren bemühen, verbunden – denken wir an das Tierschutz-Volksbegehren, an das Gentechnik-Volksbegehren, an das Frauen-Volksbegehren. Und dann scheitert es daran, dass vielleicht plötzlich eine Regierung