Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 32. Sitzung / Seite 51

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2. Punkt

Erklärung des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Die Prioritäten der Bundesregierung für den Herbst 2003“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 und 2 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ich erteile dem Herrn Bundeskanzler zur Abgabe seiner Erklärung das Wort.

 


10.41

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf darauf hinweisen, dass ich das Wort „Parlament“ eigentlich von „parlare“ – „sprechen“, „miteinander reden“ (Abg. Dr. Lichtenberger: Aber nicht nur einer!) – ableite, und ich denke, dass es ganz vernünftig ist, wenn man am Beginn der Herbstarbeit miteinander darüber spricht, welche Themen wichtig sind, welche auf der Tagesordnung stehen, sei es von europäischer Seite – Abgeordneter Voggenhuber, Grün-Abgeordneter im Europaparlament, hat übrigens moniert, dass es eine Erklärung seitens der Bundesregierung geben soll –, sei es von nationaler Seite. Ich bin natürlich gerne dazu bereit, auch auf diese Themen im Rahmen meiner Erklärung einzugehen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ich meine, eine 20-Minuten-Rede hat mit Allmacht relativ wenig zu tun. Ich werde mich auch sehr bemühen, nicht auf die Landtagswahlkämpfe, die sowieso ihre Eigengesetzlichkeit haben und, wie ich meine, auch für die Landes­hauptleute nicht so schlecht laufen, einzugehen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es wird Ihnen nicht entgangen sein, dass sehr viele euro­päische Länder mit ähnlichen Problemen zu tun haben; sie alle arbeiten an ähnlichen Reformprojekten. Ob das die Tschechen, die Ungarn, die Deutschen, die Italiener, die Franzosen oder jetzt die Niederländer, die ein 14 Milliarden € umfassendes Budget­sanierungsprojekt vorgelegt haben, sind – sie alle arbeiten im Wesentlichen an den gleichen Themen: Was ist das mit der demographischen Entwicklung? Welche Konse­quenzen hat eine alternde Gesellschaft auf Bereiche wie Budget, Gesundheitssystem, Altersvorsorge?

Derartige Diskussionen gibt es in ganz Europa, nicht nur in Österreich, es gibt nur einen Unterschied: Die anderen diskutieren, während wir nach einer sehr arbeitsrei­chen Frühjahrssession – wofür ich dem Hohen Haus aufrichtigen Dank sage – die Re­formen bereits umgesetzt haben. Das ist der entscheidende Unterschied, und das ist auch gut so!

Erlauben Sie, dass ich an einem kleinen Beispiel im Vergleich mit Deutschland auf­zeige, wie schnell es gehen kann, dass ein Vorzeigeland abrutscht. Die Deutschen waren im Jahr 1999 und im Jahr 2000 noch wesentlich besser als wir in den Budget­daten. Sie haben fast 50 Prozent bessere Budgetdaten vorzuweisen gehabt als wir. In fünf Jahren Regierung Schröder wurde immer versucht, die notwendigen Strukturrefor­men eher hinauszuschieben, eher vorsichtig damit umzugehen. Das Ergebnis zeigt sich heute: Deutschland ist an letzter Stelle aller europäischen Länder, es wird heuer ein Budgetdefizit von über 4 Prozent haben; Frankreich übrigens genauso. Das bedingt gleichzeitig auch ein Zurückgehen der Wachstumsraten.

Die Argumentation war immer: Wer ein höheres Budgetdefizit in Kauf nimmt, bekommt dafür hoffentlich höhere Wachstumsraten. – Der Erfolg beider Länder, Deutschlands und Österreichs, zeigt, dass genau das Gegenteil eingetroffen ist! Wir haben im Jahr 2000 massiv versucht, unsere Budgetprobleme in den Griff zu bekommen. Fi­nanzminister Grasser und Staatssekretär Finz haben in den Jahren 2001 und 2002 ein Budget-Nulldefizit zustande gebracht und gleichzeitig ein um 50 Prozent schnelleres


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