Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 35. Sitzung / Seite 36

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net werden, ist in Wahrheit ein „Griff in die Taschen der Spender“. So habe die Evan­gelische Diakonie 900 000 € in die Unterbringung von Asylwerbern im letzten Jahr gesteckt.

Professor Theo Öhlinger: Während eines Berufungsverfahrens abgeschoben zu wer­den ist verfassungswidrig. Man muss Österreich die Eigenschaft als sicherer Drittstaat absprechen.

Caritas: Vor allem eine seriöse und realistische Beschleunigung der erstinstanzlichen Verfahren auf sechs bis acht Wochen würde eine wesentlich bessere Qualität bringen.

Die von Experten festgestellten Verfassungswidrigkeiten in diesem Entwurf sind Legende! Die Regierungskoalition wird heute ein Gesetz beschließen, das zu Lasten der Ärmsten der Armen geht, weil sich durch diesen ganzen Gesetzentwurf eine Gesinnung zieht, die von der Annahme ausgeht, dass Asylsuchende in der Regel keine Flüchtlinge sind, die Schutz vor Verfolgung suchen, sondern Menschen, die sich ein bequemes Leben erschleichen wollen, dass sie eher Wirtschaftsflüchtlinge sind und dass daher Asylverfahren in erster Linie zum Zwecke der Sicherung der Ausweisung durchzuführen sind und nicht zum Zwecke der Durchführung eines Asylverfahrens.

Professor Heinz Mayer hat das vor dem Sommer in einem „Standard“-Interview sehr, sehr treffend formuliert. Er hat erklärt, dass wieder einmal die Effektivität und die Effizienz von Asylverfahren gesteigert werden sollen, dass allerdings die Sparsamkeit des Staates nicht Selbstzweck sein soll, sondern der Staat in erster Linie dafür zu sor­gen hat, dass die Menschen ihre Interessengegensätze nicht hemmungslos, sondern geordnet austragen, wie es die völkerrechtlichen Verpflichtungen, die Verfassung und die übrigen Rechtsregeln gebieten. – So ist es. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.08

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindel­egger. Wunschredezeit: 10 Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort. (Die Ab­geordneten der Grünen stellen große Schaubilder auf ihre Pulte, auf denen die Porträts verschiedener ehemaliger Migrantinnen und Migranten zu sehen sind.)

 


11.09

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir haben heute eine sensible Materie zu behandeln – durchaus richtig –, und wir als Volkspartei bekennen uns auch dazu, dass Österreich seiner Tradition als Asylland auch in Zukunft gerecht werden muss. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir wollen aber gleichzeitig, dass wir im Asylland Öster­reich wieder darauf zurückkommen, was Asyl eigentlich bedeutet. Ich darf in diesem Zusammenhang allen in Erinnerung rufen – das ist gemeinsamer Konsens von uns allen –: Wer aus politischen Gründen, aus rassischen Gründen und wegen seiner religiösen Einstellung in seinem Heimatland verfolgt wird, der soll bei uns für jenen Zeitraum Aufenthalt finden, in dem dies in seinem Heimatland als Tatsache zu werten ist. – Das ist Asyl, meine sehr geschätzten Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.)

Asyl bedeutet nicht, unter einem neuen Titel eine Einwanderungsmöglichkeit nach Österreich zu finden. – Das ist aber die Tatsache, mit der wir heute konfrontiert sind!

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Vielleicht unterscheiden wir uns in unse­rem Realitätssinn ein wenig von der grünen Fraktion, die ein bisschen blauäugig an die Situation herangeht, aber wir unterscheiden uns in keiner Weise von den Sozialdemo­kraten, denn das, was Karl Schlögl als letzter SPÖ-Innenminister – ich habe hier eine


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