Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Molterer. – Bitte.
13.43
Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute Vormittag haben wir im Reichsratssitzungssaal eine gemeinsame Gedenkveranstaltung von Nationalrat und Bundesrat gegen Rassismus und Gewalt abgehalten, heute Nachmittag diskutieren wir die Erweiterung der Europäischen Union. – Wo ist der Bogen? Für mich ist er sehr klar: Die Idee der Europäischen Union, die Idee der europäischen Einigung ist aus diesem Kampf gegen Krieg, gegen Gewalt, gegen Rassismus und gegen Nationalismus gewachsen, und das ist das Faszinierende. Daher sagen wir heute auch mit Begeisterung „Willkommen!“, weil dieses Europa des Friedens, der Freiheit, der Stabilität, der Sicherheit und des Wohlstandes nun größer geworden ist. – Herzlich willkommen, neue Mitglieder der Europäischen Union! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Wir sind uns dieser Dimension angesichts
der Tagesrealitäten, die uns bewegen, oft nicht bewusst. Vor 60 Jahren,
meine Damen und Herren, tobte auf diesem Kontinent Krieg, der Millionen Tote
forderte. Vor 50 Jahren, meine Damen und Herren, war unser Heimatland
Österreich vierfach besetzt und hatte damals nicht die Freiheit, nicht die
Möglichkeit, selbstbestimmt die Zukunft zu gestalten. Vor zehn Jahren, meine
Damen und Herren, genau heute vor zehn Jahren hat der österreichische
Nationalrat das Beitrittsgesetz verabschiedet – mit
35 Gegenstimmen –, das uns die Möglichkeit der Volksabstimmung
geboten hat, das Österreich die Mitgliedschaft in der Europäischen Union
gebracht hat. Vor kurzem haben wir hier im Hohen Haus mit zwei Gegenstimmen
die Erweiterung der Europäischen Union beschlossen. – Daran sehen Sie,
meine Damen und Herren: Dieses Europa ist in Entwicklung, es lebt, wir
gestalten diese Geschichte mit! (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen
sowie des Abg. Dr. Van der Bellen.)
Es ist faszinierend, sich vor Augen zu halten, dass bei diesen zehn neuen Mitgliedern, bei diesen zehn neuen Partnern immerhin ehemalige Teilrepubliken der Sowjetunion dabei sind, dass bei diesen neuen Partnern Länder dabei sind, die dem Warschauer Pakt angehört haben. Daran erkennen Sie auch die historische Dimension dieses Schrittes, der aus meiner Sicht den Schlussstein des in den achtziger Jahren Begonnenen darstellt. Denken Sie nur an Polen, an die Demonstrationen der Solidarnosc in Danzig. Hart erkämpft – mit Menschenopfern, dessen sind wir uns oft nicht bewusst – wurde diese Freiheit, jene Freiheit, die es diesen Ländern nun ermöglicht, friedlich und selbstbestimmt den Weg nach Europa zu gehen. Friedlich und selbstbestimmt – keine Selbstverständlichkeit auf diesem Kontinent! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Ich weiß nicht, wie es Ihnen gegangen ist, aber ich habe mir natürlich auch die vielen Interviews aus den Hauptstädten dieser neuen Partnerländer, die am 1. Mai geführt wurden, zu Gemüte geführt, wenn Sie so wollen. Was mir dabei aufgefallen ist, ist, dass fast alle gesagt haben, das sei die große Chance für die jungen Menschen in diesen Ländern, für die Jugend in diesen Ländern, ihr Leben anders zu gestalten als die ältere Generation, die Unfreiheit, Gefängnis, Krieg und Gewalt erlebt hat. Für diese Chance für die jungen Menschen, in diesem neuen Europa ihr Leben frei gestalten zu können, lohnt es sich zu arbeiten.
Die Österreichische Volkspartei als jene Partei, die von Anfang an sehr konsequent für diese europäische Einigung gekämpft hat, hat daher – und das werden Sie verstehen – diesen 1. Mai mit besonderer Emotionalität erlebt. Immerhin war es Erhard Busek beispielsweise, der in diesen Ländern unterwegs war mit den damaligen Dissidenten, die in den Gefängnissen eingesessen sind, wo es noch durchaus in und schick war,