Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 96. Sitzung / Seite 130

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Interessant war es aber schon, denn in den Regierungsverhandlungen, die die Grünen 2003 mit der ÖVP geführt haben, wäre diese Anerkennung im Opferfürsorgegesetz seitens der ÖVP auf einmal möglich gewesen. Letztes Jahr plötzlich nicht mehr. Ich bin neugierig, von Ihnen nun zu hören, ob Sie das jetzt vorhaben, nachdem der Bundes­kanzler die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus vor eineinhalb Monaten in seiner Rede im Reichsratssaal auch anerkannt hat.

Ich hoffe, Sie sind endlich bereit dazu, dieser letzten Gruppe, die noch nicht anerkannt ist, die Anerkennung nicht weiter zu verweigern. Viele von denen, die diese Zeit erlebt haben, leben ohnehin nicht mehr. Es geht auch darum, einen politisch-symbolischen Akt zu setzen und zu sagen, ja, auch ihr wart Opfer, und wir anerkennen das.

Im Sozialausschuss letztes Jahr wurde dann auch argumentiert, man wolle nicht alle Gruppen nennen, wo kämen wir denn da hin – ich übertreibe jetzt ein bisschen –, wenn wir alle nennen würden. Die, die jetzt noch leben, können den Antrag ohnehin stellen.

Meine Damen und Herren! So kann man mit Opfern des Nationalsozialismus nicht um­gehen! Wie schon gesagt: Es geht hier um eine politische, symbolische Feststellung: Ja, ihr wart Opfer, und wir anerkennen das.

Es stimmt schon auch, dass die Opferverbände diese Gruppe viele Jahre lang nicht anerkennen wollten. Das hat sich mittlerweile geändert. Ich denke, auch die stehen jetzt dazu, dass es diese Opfer gegeben hat und dass sie anerkannt werden sollen.

Ich erinnere auch daran, dass 2003 die Historikerkommission – von der Regierung ein­gesetzt – in ihrem Schlussbericht erklärt und auch kritisiert hat, dass nach Aufhebung des Verbots der Homosexualität im Jahr 1971 keine rückwirkende Einbeziehung der Gruppe im OFG erfolgte und dass auf Grund formalrechtlicher Erwägungen sogar die Anhaltung im Konzentrationslager, die keinesfalls als rechtsstaatliche Maßnahme betrachtet werden kann, im Sinne einer Bestrafung nach österreichischem Recht inter­pretiert wurde.

Meine Damen und Herren! Es ist höchste Zeit, dass endlich – 60 Jahre nach dem Ende dieses grauenhaften Regimes – auch die letzten Opfergruppen, für die die offizielle Anerkennung dieser Republik noch nicht überall gegeben ist – im Nationalfondsgesetz sind sie enthalten, aber nicht im Opferfürsorgegesetz –, dies endlich gewährt bekom­men.

Ich erinnere an die Rede des Bundeskanzlers, die ich am Anfang zitiert habe, in der er auch zugegeben hat, dass es in Österreich eine schleppende Auseinandersetzung mit der Vergangenheit gegeben hat, und ich denke, es ist wirklich höchste Zeit für diesen Schritt.

Wir bringen daher diesen Fristsetzungsantrag mit einer Frist bis 30. März ein, denn wie Sie wissen, ist der 8. Mai der 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations­lagers Mauthausen. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Wenn wir bis dahin diesen Antrag beschließen und damit diese Anerkennung auch tatsächlich haben wollen, dann muss diese Frist eingehalten werden, denn sonst geht er nicht mehr durch das Plenum des Nationalrates und durch den Bundesrat. – Das wäre für diese Republik eine Schande, meine Damen und Herren! Ich hoffe, es gibt Ihre Zustimmung. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.28


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. Seine Redezeit beträgt, wie die Redezeit aller anderen, 5 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


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