Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 96. Sitzung / Seite 132

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Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Leutner. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


16.33.32

Abgeordneter Dr. Richard Leutner (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Kollege Tancsits, ich glaube, dass es bei der vorliegenden Materie nicht um Gnadenakte eines Ministeriums gehen kann, sondern nur um klare gesetz­liche Regelungen. Und dazu liegt uns heute der Antrag der grünen Fraktion vor, laut welchem das Opferfürsorgegesetz auch mit gesetzlichen Änderungen verändert wer­den sollte.

Meine Damen und Herren! Meine Fraktion kann diesem Antrag der Grünen die Zustim­mung geben. Auch wir haben dieses Thema in der Vergangenheit schon eigens mit einem Antrag aufgenommen. Er war, glaube ich, gleich lautend mit dem, was Herr Kollege Öllinger eingebracht hat.

Kollegin Lunacek ist auf die Begründungen schon eingegangen. In den Konzentrations­lagern des Dritten Reiches waren Tausende homosexuelle Männer inhaftiert. Sehr fundierte Schätzungen haben ergeben, dass zehntausend von ihnen von den National­sozialisten umgebracht wurden. Es ist auch juristisch richtig, dass, obwohl diese Opfer­gruppe zusammen mit den als asozial verfolgten Personen im Nationalfondsgesetz berücksichtigt wird, die Anerkennung im Opferfürsorgegesetz selbst nach wie vor nicht gegeben ist.

Es gibt einen zweiten Punkt, auf den ich in dieser Debatte hinweisen möchte: Auch wir haben schon im seinerzeitigen Antrag der SPÖ das Thema nationalsozialistischer Zwangssterilisation aufgenommen. Meine Damen und Herren! Zwischen 1940 und 1945, in der NS-Zeit also, wurden mehrere tausend Menschen zwangssterilisiert, auch in Österreich. Auch uns erscheint es daher sinnvoll, die Zwangssterilisation im Opfer­fürsorgegesetz ausdrücklich anzuführen.

Ich weiß, dass es in diesem Zusammenhang schon jetzt den Begriff Behinderung gibt, aber es geht auch hier, glaube ich, um gesetzliche Klarstellungen.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluss kommen und sagen: Es sind ja – das ist uns allen bewusst – nur noch sehr wenige Menschen, die in den Geltungs­bereich der von uns vorgeschlagenen Gesetzesänderungen fallen. Es ist auch oft so, dass sich Opfer erst dann melden, wenn die gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf ihre Ansprüche sehr klar sind. Das ist ein Phänomen der Praxis gerade in dem Be­reich, über den wir heute reden.

Ich meine, dass die Regierung und alle Parteien am heutigen Tag tätig werden sollten. Es wäre dies eine späte Wiedergutmachung für große Opfer, die da vollbracht wurden. Als Opfer der politischen Verfolgung im Sinne des Opferfürsorgegesetzes sollten in Zukunft wirklich alle Personen angesehen werden, die aus politischen Gründen, aus Gründen der Abstammung, der Religion, der Nationalität, der sexuellen Orientierung, auf Grund einer Behinderung oder als damals, wie das so besonders scheußlich ge­heißen hat, asozial verfolgt wurden, in dieser Zeit, von der wir reden, so brutal verfolgt wurden. Nur um diese Menschen – meine Damen und Herren, rufen wir uns das noch einmal in Erinnerung – geht es.

Ich sehe am heutigen Tag eigentlich keinen wirklichen Anlass – wir haben sonst oft kontroversielle Themen, Kollege Tancsits –, dass sich nicht alle vier Parteien heute einen Ruck geben sollten. Es wäre dies eine späte Anerkennung für Opfer, die voll­bracht wurden. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


16.37

 


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