Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 112. Sitzung / Seite 37

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neues Gleis – nicht zurück, sondern nach vorne, aber auf ein neues Gleis – bringen: nicht gegen Europa, sondern für ein Europa, aber ein Europa der Bürger  und nicht der Institutionen und der Bürokraten, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie der Abg. Lentsch.)

Deshalb ist es für mich nicht möglich, zu sagen, wir gehen zur Tagesordnung über, so, als wäre nichts geschehen. Diese Verfassung ist Voraussetzung für das Europa der 25, und deshalb können wir jetzt nicht so tun, als wäre nichts passiert, und etwa mit der Türkei Beitrittsgespräche beginnen. Da stellt sich auch die Frage: Was ist mit den nächsten Erweiterungen? Ich stehe dazu, dass etwa Kroatien ein wichtiges Land für die Europäische Union ist, aber wir können nicht diese Schritte tun, ohne die Voraussetzungen dafür zu schaffen, und das ist eine Europäische Verfassung. – Und genau solche Dinge waren auch in anderen Bereichen Fehler.

Herr Kollege Gusenbauer und Herr Kollege Einem, ich meine, so klar ist ja die Linie in der Europapolitik bei Ihnen noch nicht! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Die war noch nie klar, die Linie!) Aber was heißt denn „Kehrtwende“? – Kehrtwende zurück, auch in Öster­reich, zu einer Europapolitik der neunziger Jahre, die Sie zu verantworten gehabt haben und die genau dem entsprochen hat, was wir heute in Europa kritisieren (Abg. Dr. Puswald: Außenminister Schüssel!): dass man nach außen so getan hat, als wäre alles in Ordnung, und nach innen alles zugedeckt hat und genau diese Offensive für die Bürger vermissen hat lassen?

Wir haben das damals kritisiert – Kollege Bösch hat das richtig angesprochen. Warum hat man es nicht geschafft, in der Europäischen Union zuerst eine Wirtschaftsunion zusammenzubringen, die Voraussetzung für eine gemeinsame Währung gewesen wäre? Das hat man nicht zusammengebracht, man hat den zweiten Schritt vor dem ersten gesetzt – und heute diskutiert man darüber, ob der Euro die Stärke, die Konse­quenz und die Stabilität haben wird, die wir alle brauchen, meine Damen und Herren. Aber von der Wirtschaftsunion, von der Steuerunion sind wir nach wie vor weit entfernt.

Warum, meine Damen und Herren, haben Sie damals bei den Beitrittsverhandlungen der Bevölkerung nicht reinen Wein eingeschenkt darüber, welche Konsequenzen das haben wird? Da hat man mit Ederer-Tausendern (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Kräuter und Dr. Niederwieser) herumgeworfen, da hat man versprochen, dass die Neutralität von A bis Z gewahrt werden kann, und gleichzeitig hat man in der Euro­päischen Union und auch hier in der Verfassungsrealität genau das Gegenteil getan. Das sind doch die Dinge, die die Menschen spüren! Vielleicht wissen sie es nicht – klar, denn die Informationen gibt es eben nur in unzureichendem Maße –, aber es ist das Spüren, dass sich die Realität von dem, was gesagt wurde, entfernt.

Wir brauchen mehr Europa, ja, aber ein selbstbewusstes Europa, das wieder zurück zu den Bürgern geht – und nicht zu den Institutionen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.05


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. Auch ihre Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

 


10.05.36

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren, auch auf der Galerie und vor den Bild­schirmen! Wir von den Grünen haben das Nein eines Großteils der Bevölkerung in Frankreich und auch in den Niederlanden zu dieser Europäischen Verfassung be­dauert. Aber: Bei zahlreichen Aspekten, die in diesen Ländern den Ausschlag für die­ses Nein gegeben haben, haben wir für diese Haltung auch Verständnis; wobei das


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