Präsident Dr. Andreas Khol: Ans Rednerpult gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Auch seine Redezeit beträgt 12 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.
11.00
Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Staatssekretär Dr. Winkler, willkommen im Parlament! Die Grünen haben Ihre Ernennung ausdrücklich begrüßt. Das soll nicht heißen, dass man die anderen Staatssekretäre jetzt vergisst, aber ich bin absolut zuversichtlich, Herr Staatssekretär Dr. Winkler, dass Sie nicht in die Verlegenheit kommen werden, lediglich als Weißwäscher für Ihren Minister beziehungsweise Ihre Ministerin in die Geschichte einzugehen, wie das zum Beispiel Staatssekretär Finz passiert ist (Abg. Dr. Jarolim: Ein dramatisches Beispiel!), und ich bin auch absolut zuversichtlich, dass Sie nicht in die Geschichte eingehen als jener Staatssekretär, den kein Mensch kennt, wie das zum Beispiel ... – Na, lassen wir das! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)
Zurück zu Ihnen, Herr Dr. Winkler.
Ihre Ernennung steht selbstverständlich im Zusammenhang mit der Vorbereitung
der österreichischen Präsidentschaft nächstes Jahr. Diese Entscheidung ist gut,
wir halten das für richtig und wichtig, insbesondere angesichts Ihrer
Erfahrung und Ihrer Reputation auf außenpolitischem Gebiet. Was die
technisch-organisatorische Abwicklung der österreichischen Präsidentschaft
betrifft, ist damit, finde ich, ein wesentlicher weiterer Schritt getan, und
ich denke, auf dieser Ebene wird die österreichische Präsidentschaft schon
funktionieren. Alles andere wäre eine Überraschung, und schließlich macht das
Außenministerium das ja auch nicht zum ersten Mal, sondern zum zweiten Mal. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)
Aber, Herr Staatssekretär Dr. Winkler,
Frau Außenministerin, wir brauchen mehr als eine funktionierende
technisch-organisatorische Abwicklung der Präsidentschaft. Ich denke, wir
brauchen vor allem Politiker, die mit dem Gejammer über die Europäische Union
aufhören. Wir brauchen nicht Politiker, die alles, was gut im eigenen Land
läuft – und damit meine ich auch Österreich – sich selber zuschreiben
und alles, was schief läuft, daran ist dann natürlich das anonyme Brüssel
schuld – als ob die eigenen Politiker, welchen Landes der EU-25 auch
immer, nie selbst in Brüssel gewesen wären, als ob sie nicht an den
Ratssitzungen teilnehmen würden, als ob sie nicht die Entscheidungen, sei es
in dieser oder auch in jeder anderen Angelegenheit, mittragen würden. Mit
diesem Gejammer und mit diesem diffusen – ich komme dann noch darauf zurück –
Ansprechen von Ängsten ist niemandem gedient. (Beifall bei den Grünen.)
Es gibt Ängste, es gibt Sorgen, ja – aber dann bringen wir die Sache doch auf den Punkt! Natürlich ist nicht alles rosig in der Europäischen Union, sage ich. Na und? Es ist in Österreich auch nicht alles rosig, und nicht nur die Politiker, sondern auch viele Bürger und Bürgerinnen in diesem Land bemühen sich, daran zu arbeiten, dass sich daran etwas ändert. In der Union und in Brüssel ist das auch nicht anders.
Ich habe es zum Beispiel gründlich satt, in Diskussionen zu hören, die EU-Erweiterung um die EU-10 und die kommenden Erweiterungen seien ein Problem. – Was ist da das Problem? Im Gegenteil: Die bisherige Erweiterung von den EU-15 auf die EU-25 ist die Erfolgsstory der Europäischen Union schlechthin, in meinen Augen zumindest (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP), und dies noch mehr, Herr Bundeskanzler – weil Sie das in einem Atemzug genannt haben –, als die Einführung des Euro. Der Euro war auch eine gute Sache, aber er stand von Anfang an unter der schweren Hypothek des so genannten Stabilitäts- und Wachstumspaktes, der weder zur Stabilität geschweige denn zum Wachstum in Europa etwas beiträgt.
Ich meine, wir sind doch alle aufgerufen, irgendwie von unseren Erfahrungen, von unseren Gesprächen draußen, jenseits der Mauern dieses Parlaments, zu erzählen.