Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 129. Sitzung / Seite 249

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

persönliche Intimsphäre jedes Einzelnen. Stellen Sie sich folgende Situation vor – ich komme vom Land, darum kann ich mir das dort besonders gut vorstellen –: Jemand zieht aufs Land, muss sich dort sofort anmelden, meldet sich auch dort an und gibt wahrheitsgemäß – eine andere Möglichkeit auf dem Meldezettel hat man nicht –, um keine Verwaltungsübertretung, sprich keinen Gesetzesbruch zu begehen, als Familien­stand – das wird man jetzt künftig tun müssen – „verheiratet“ an.

An selber Adresse meldet sich – angenommen, die erste Person war ein Mann – eine Frau an und gibt wahrheitsgetreu als Familienstand ledig an. Nun kann die erste Person, die verheiratet ist, ja nicht mit der zweiten Person, die ledig ist, verheiratet sein – denn sonst wäre ja die zweite Person nicht ledig. Das heißt, da wohnt vielleicht ein Mann mit einer Frau zusammen, und die beiden sind nicht miteinander verheiratet. (Abg. Scheibner: Haben Sie ein Problem damit?) – Ich frage Sie: Was geht das den Rest der Ortsbevölkerung an? (Abg. Donabauer: Das interessiert sie auch nicht! Das interessiert die Bevölkerung nicht!)

Jetzt ist es so, dass man den Meldezettel bei der Gemeinde abgeben muss. Ab diesem Moment weiß das jeder. Das ist für mich Grund genug, dieses Gesetz abzulehnen. – Das war der erste Punkt. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Johann Maier.)

Der zweite Punkt: Es gibt ja manchmal auch Erfolge im Parlament, selbst meinerseits. Ich habe vor etwa drei Jahren einen Antrag eingebracht, totes Recht, das es im österreichischen Rechtsbestand gibt – und das seit Jahrzehnten! –, endlich abzu­schaffen, nämlich die geheime Erhebung der Muttersprache. Das ist eine unglaublich perfide Bestimmung, die nur aus der Zeit, in der sie beschlossen wurde, überhaupt erklärbar ist. – Erklärbar; selbst damals war sie schon großes Unrecht. – Es handelt sich um eine Verfassungsbestimmung im österreichischen Recht.

Im Verfassungsausschuss – manchmal geschehen ja noch Zeichen und Wunder – kam es nun zu dem einstimmigen Beschluss, diese Verfassungsbestimmung aus dem österreichischen Rechtsbestand zu eliminieren. Ich freue mich, dass die Kolleginnen und Kollegen des Verfassungsausschusses meinem diesbezüglichen Initiativantrag gefolgt sind und dass die Überzeugung – sie hat lange gebraucht, um zu reifen! – dann so reif war, um diese minderheitenfeindliche und seinerzeit von der Gesetzgeberin nur zum Schaden – auch zum ideellen Schaden – der österreichischen Volksgruppen eingefügte Bestimmung jetzt zu eliminieren.

Ich danke Ihnen aufrichtig und hoffe – und diese Hoffnung gilt jetzt nicht dem Kollegen Regler, sondern vor allem dem Herrn Staatssekretär, der hier die Exekutive vertritt –, dass das, was jetzt bei der Erhebung der Umgangssprache möglich ist – das ist auch noch eine sensible Materie bei den neuen gesetzlichen Bestimmungen zur Register­zählung –, mit jener Sensibilität gehandhabt wird, die notwendig ist, um nicht den Geist der alten Minderheitenfeststellung in ein neues Gesetz zu übertragen.

Herr Staatssekretär Morak, jetzt kenne ich Sie lange genug. Ihnen würde ich diesbezüglich vertrauen, aber ich befürchte, Sie haben zu wenig zu reden. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Johann Maier.)

20.22


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Morak. – Bitte.

 


20.22.43

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Meine Damen und Herren! Ich weiß, das ist ein komplexes Thema. Ich möchte trotzdem ein paar Dinge dazu sagen, weil es mir wichtig erscheint und weil mir das Thema – und ich meine jetzt nicht die


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite