Ich meine: Das ist unter der österreichischen EU-Präsidentschaft zu diskutieren: Geht Europa den Weg in Richtung einer sozialen Union – das wäre ein Kurswechsel –, oder geht Europa jenen Weg weiter, den es die letzten Jahre gegangen ist und der dazu geführt hat, dass sich die Menschen von Europa entfremdet haben und dass sich auch die Europäische Union von den Menschen entfremdet hat?
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wartet in der Tat im nächsten halben Jahr eine große Anzahl von Herausforderungen auf uns. Aber diese Herausforderungen wird man nicht bewältigen können, wenn man zum einen nicht die Wahrheit darüber sagt, wie das Geld aufgebracht und verteilt wird, und wenn man zum anderen sagt, es soll das meiste so bleiben, wie es ist. Nein, so wird es nicht gehen!
Österreich wird dann eine
erfolgreiche EU-Präsidentschaft haben, wenn es einen Beitrag zum dringend
notwendigen Kurswechsel leistet, wenn wir dafür sorgen, dass das europäische
Verfassungsprojekt ein Projekt eines sozialen Europa wird, wenn endlich
Maßnahmen zur Reduktion der Arbeitslosigkeit auf dem Plan stehen, wenn es zur Beendigung
des Steuerdumpings kommt und wenn endlich die Entscheidungen in Europa
transparent sind – ich betone: transparent –, so dass es nach einem
Gipfel nicht heißen kann, wie die angesehensten europäischen Zeitungen
schreiben: Die Sinnkrise besteht weiter. – Doch einer der Teilnehmer, nämlich
der Herr Bundeskanzler Schüssel, glaubt, das wäre ein großer Erfolg gewesen.
Nein, Europa braucht neben der Freiheit dringender als jemals
zuvor Gerechtigkeit und Fairness. (Zwischenrufe
bei der ÖVP.)
Ohne Änderung der bisherigen Politik, und zwar vor allem der Landwirtschaftspolitik, die für die Großbetriebe auf dem Rücken der Kleinen und der Steuerzahler betrieben wird, wird es kein neues Europa geben. Das wäre aber dringend notwendig, vor allem dann, wenn man auch die Zustimmung der Bevölkerung haben möchte! (Lang anhaltender lebhafter Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)
10.49
Präsident Dr. Andreas Khol (das Glockenzeichen gebend): Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Molterer. Auch seine Redezeit beträgt 11 Minuten. – Bitte.
10.49
Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hätte eigentlich gar nicht besser dargestellt werden können (Abg. Mag. Johann Moser: Das glaube ich auch!), was der Unterschied zwischen Verantwortung tragen – Bundeskanzler Dr. Schüssel – und billigem Populismus – Dr. Alfred Gusenbauer – ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)
Es ist bedauerlich, Herr
Dr. Gusenbauer, dass in einer der wichtigsten Phasen für unser Heimatland,
nämlich wenige Tage vor der Übernahme der Präsidentschaft der Europäischen
Union durch Österreich, eine ehemalige staatstragende Partei, nämlich die
Sozialdemokratie, in den puren Populismus flüchtet und nicht mehr den Mut hat,
Verantwortung zu tragen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der
Freiheitlichen.)
Meine Damen und Herren! Es ist eine große Auszeichnung für unser Land, für Österreich, die Präsidentschaft der Europäischen Union in einer der schwierigsten Phasen Europas zu führen. Es befindet sich die Europäische Union in keiner einfachen Situation, und umso wichtiger ist es, meine Damen und Herren, dass diese österreichische Bundesregierung – unter Führung von Wolfgang Schüssel, mit Hubert