Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll145. Sitzung / Seite 53

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Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. h.c. Schie­der. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


11.32.35

Abgeordneter Dr. h.c. Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr verehrte Gäste! Der Präsident hat schon die Fahne erwähnt. Für manche ist es ja etwas verwirrend: Europarat, Europäisches Parlament, Parlamen­tarische Versammlung, Europäische Union – dieselbe Fahne, dieselbe Hymne, der eine ganz in Straßburg, der andere teilweise in Straßburg. Und es gibt manche – natürlich nicht hier –, die schon allein wegen der Verwechslungsgefahr am liebsten den Europarat abschaffen würden.

Die EU verwendet sich selbst gerne als Synonym für Europa. Die Europäische Union ist sicherlich die treibende Kraft auf diesem Kontinent und für diesen Kontinent. Sie umfasst mehr als die Hälfte Europas, aber sie ist nicht das ganze Europa. Das ganze Europa – mit Ausnahme eines Staates –, also mit Russland, mit der Ukraine, Moldawien, dem Westbalkan, der Türkei und den kaukasischen Republiken Armenien, Aserbaidschan und Georgien – das ganze Europa, das ist der Europarat. Und oft denke ich mir: Wie taktisch unklug ist es doch, vor allem von Seiten der EU-Länder, dass der Europarat nicht stärker betont und gestärkt wird, denn je mehr die Mit­gliedschaft im Europarat bedeutet, je wertvoller er selbst und damit diese ist, je geringer auch in der Psychologie der Staaten der Abstand zwischen Europarat und Europäischer Union ist, desto stärker sind alle schon in Europa und können darauf aufbauen, und desto geringer wird der psychologische Druck, jahrelang – und vielleicht erfolglos – darauf zu warten, dass man in Europa durch die EU-Mitgliedschaft ist!

Ich glaube, da gibt es auch das aktuelle Beispiel für die aus institutioneller Egozentrik der EU ungenützte Chance Europarat, nämlich die derzeitige Konstruktion der euro­päischen Nachbarschaftspolitik im politischen Bereich – nicht im wirtschaftlich-finanziellen, dort ist sie sehr gut organisiert, aber im politischen Bereich wird auch der Europarat nicht genützt.

Wir diskutieren heute sehr viel über die soziale Dimension der Europäischen Union. Der Europarat hat auf diesem Gebiet schon vor langer Zeit Bahnbrechendes geschaf­fen: Er hat, unter dem Ausschussvorsitz des österreichischen Abgeordneten Peter Strasser in der Parlamentarischen Versammlung, die einzigartige Sozialcharta ge­schaf­fen. Ja, es haben sehr viele, nicht nur die Generalsekretäre und die Präsidenten, sondern es haben sehr viele Abgeordnete dieses Hauses in den verschiedensten Funktionen, aus allen Fraktionen, sehr aktiv im Europarat mitgewirkt. Viele waren bedeutende Ausschussvorsitzende – um nur zwei Beispiele, von beiden Seiten, zu nennen: der ehemalige Staatssekretär und Botschafter Steiner im Politischen Aus­schuss und der damalige einfache Abgeordnete Dr. Alfred Gusenbauer. Wir hatten wichtige Berichterstatter. Wir hatten aktive Mitglieder auch in der Gemeindekonferenz, auch in den Kommissionen, auch unter den Richtern, auf Beamtenebene, und Präsident Khol war ja selbst einmal ein Beamter des Europarates und hat in Straßburg wertvolle Arbeit geleistet.

Österreich hat, glaube ich, den Europarat für seinen Ruf, seine Kontakte und seine internationale Arbeit vor dem EU-Beitritt und auch jetzt in der EU vernünftig genützt. Und wir sind als Österreich auch dem Europarat zu Dank verpflichtet: für die Ideen, die wir aufgenommen haben, für die Konventionen, die auch uns weitergeholfen haben, aber auch für die Kritik, ja ich möchte sogar sagen, für die Verurteilungen, die wir vor dem Europäischen Gerichtshof erlitten haben, denn das alles hat die österreichische Praxis und die österreichische Gesetzgebung positiv beeinflusst. Und ich selbst möchte bei diesem Anlass auch ein Dankeschön sagen an alle, die mitgeholfen haben,


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