Parteivorsitzender
Dr. Alfred Gusenbauer hat zu Jahresbeginn die Messlatte der Sozialdemokratie
für eine erfolgreiche Präsidentschaft genannt. Ich zitiere:
„Gelingt es,
die soziale Schieflage in der EU zu korrigieren, oder zumindest erkennbare
Fortschritte zu machen? Gelingt es, wirksame Maßnahmen gegen eine Politik
des Steuerdumpings in der EU zu ergreifen, um zu verhindern, dass die
Finanzierung der Systeme sozialer Sicherheit untergraben wird? Gelingt es,
Konsens darüber herzustellen, dass es auch im Arbeitsleben faire
europäische Standards geben muss? Das würde unter anderem
bedeuten, dass die Bundesregierung von ihrer bisherigen Position zur
Dienstleistungsrichtlinie abrückt und anstatt des Herkunftslandprinzips
das Bestimmungslandprinzip prägen soll. Gelingt es, einen Pakt zur
Absicherung der Leistungen der Daseinsvorsorge zu schließen? Gelingt es,
durch entsprechende Vereinbarungen in der EU den freien Hochschulzugang in
Österreich abzusichern? Gelingt es, dem europäischen Verfassungsprojekt
einen neuen Impuls zu geben und die Grundlagen für ein
gesamteuropäisches Referendum zu schaffen?“ (Abg. Dr. Fekter: Es ist gelungen!)
Gusenbauer weiters: „Gelingt es, eine Mehrheit in der EU dafür herzustellen, dass die politische Konsolidierung der Europäischen Union Vorrang hat vor künftigen Erweiterungen und, dass vor allem der österreichische Vorsitz eine exakte und nachvollziehbare Definition von dem durchführt, was man gemeinhin unter der ,Aufnahmefähigkeit’ der EU versteht? Gelingt es, eine Renaissance der Atomenergie in der EU zu verhindern und ein Umdenken in Richtung erneuerbare Energien und Energieeffizienz durchzusetzen?“
Einiges von dem, meine Damen und Herren, wurde vom österreichischen EU-Vorsitz, wie erwähnt, angesprochen. Einige der Fragen wurden auch tatsächlich gelöst. Die großen Fortschritte, die wirklichen Durchbrüche blieben aus.
Aber das war leider zu erwarten: Eine Regierung, die im eigenen Land den neoliberalen Kurs einschlägt, wird ihm nicht auf europäischer Ebene gegensteuern. (Abg. Scheibner: Sagt das auch der Gusenbauer?) Da setzt der Kurswechsel für eine europäische Politik schon einen Kurswechsel im eigenen Land voraus. Aber dazu ist ja in Österreich im Herbst Gelegenheit. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Neudeck: Der Anfang war ja gut!)
12.06
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger zu Wort. Ebenfalls 10 Minuten Redezeit. – Bitte.
12.06
Abgeordneter Dr. Michael
Spindelegger (ÖVP):
Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr
Vizekanzler! Meine Damen und Herren der Bundesregierung! Wenn man jetzt
die Rede des Kollegen Schieder,
über weite Teile den „großen“ Parteivorsitzenden
zitierend, noch einmal Revue passieren lässt, so erinnert man sich an das
alte China, in dem die Reden des Mao Tse-tung, des Großen Vorsitzenden zitiert
wurden. (Heiterkeit bei der ÖVP.)
Meine Damen und Herren, ich glaube, das ist nicht das, was
wir anlässlich dieser EU-Präsidentschaftsdebatte
tun wollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen –
BZÖ.)
Aber ich möchte doch anerkennend sagen – wir erwarten normalerweise von der Opposition Häme und Alles-schlecht-Machen –: Heute hat Kollege Schieder ja den Vorsitz gelobt. Darüber freue ich mich. Das zeigt eines, meine Damen und Herren: Wenn sogar die Opposition den Vorsitz Österreichs lobt, dann muss er wirklich ausgezeichnet