Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung / Seite 41

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von diesem Verfassungsvertrag auch in den Reformvertrag von Lissabon mit einfließt, und ich bin froh, Ihnen mitteilen zu können, dass es uns gelungen ist, dass die Herz­stücke dieses Verfassungsvertrages trotz verschiedenster Diskussionen und Verän­derun­gen erhalten geblieben sind. Und das ist mir wichtig (Abg. Lutz Weinzinger: Das ist eine blanke Verhöhnung der Bevölkerung!), weil es auch der  klare Auftrag war, den sich Europa vorgenommen hat. (Abg. Rosenkranz: Wer ist „Europa“?)

Man muss nämlich immer wieder daran erinnern: Wieso wurde eigentlich über einen Verfassungsvertrag diskutiert? – Es wurde über den Verfassungsvertrag diskutiert, weil wir gesagt haben: Mit den alten Verträgen, bis hin zum Vertrag von Nizza, kann es nicht mehr weitergehen, das ist ein permanentes Gewurschtel; es muss einen großen Neuanfang geben! – Das hat zum Konvent geführt, das hat zu der Vorlage geführt, die dann in der Regierungskonferenz behandelt wurde, und das hat letztendlich zum Ver­fas­sungsvertrag geführt. Und ich halte es für wichtig, dass dieses große Reformwerk nun abgeschlossen wurde, dass damit ein besseres Funktionieren Europas in Zukunft möglich ist und dass damit die kritische Distanz zwischen den Bürgern und der Europäischen Union auch wieder verkleinert wird.

Und ich sage Ihnen: Die richtige Antwort auf die Skepsis, auf die berechtigte Skepsis vieler Bürgerinnen und Bürger, was sozusagen politische Inhalte in Europa betrifft, ist nicht, herzugehen und gegen Europa zu polemisieren, sondern ist, eine bessere Politik zu machen (Abg. Strache: Für Österreichs Souveränität und Neutralität zu stehen, das wäre unsere Aufgabe!) und darzustellen, welch unschätzbare Vorteile Österreich durch seine Stellung im Herzen Europas hat.

Wir stehen zu Österreich, wir stehen zu Europa, und wir stehen zu diesem Reform­vertrag! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.32


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine Ausführungen und erteile nun Frau Bundesministerin Plassnik das Wort. Ich erinnere auch noch einmal an die Redezeit. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


10.33.43

Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Ursula Plassnik: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Wir stehen unmittelbar vor einem europäischen Quantensprung (Abg. Mag. Hauser: Das sieht aber die Bevölkerung nicht so!): Wo vor nicht einmal 20 Jahren der Eiserne Vorhang war, wird in sechs Wochen keine Grenzkontrolle mehr sein. Grenzzäune, Grenzbalken werden bald der Vergangenheit angehören. (Abg. Lutz Weinzinger: Wieder eine gefährliche Drohung!) Kurz vor Weihnachten erfolgt damit der nächste große Schritt, um die Geschichte der großen europäischen Teilung zu überwinden, zwischen uns und jenen Ländern, die in den Jahrzehnten des Kalten Krieges so nahe und doch in einer so fernen Welt gelegen sind. 1 250 Kilometer österreichische Grenze mit der Tschechischen Republik, mit der Slowakei, mit Ungarn und Slowenien werden demnächst so sein, wie unsere Grenzen mit Deutschland und Italien es heute schon sind. Und nichts, meine Damen und Herren, kann die epochalen Änderungen in diesem Europa besser verdeutlichen als dieses Ereignis. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Europa, das wir mitgestalten dürfen, das neue Europa, das ein Europa der Über­windung von Grenzen und Trennlinien auf friedlichem Weg durch gemeinsame Defi­nition von Zielen und durch konkrete Zusammenarbeit ist! – Erfolge lassen ja oft die Geschichte ein bisschen vergessen. Erinnern wir uns: Alois Mock und Gyula Horn haben am 27. Juni 1989 bei Klingenbach den Stacheldraht durchschnitten. Das Ende der sogenannten Ordnung im Zeichen des Kalten Krieges war damit eingeläutet, und


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