Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung / Seite 222

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Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abge­ordnete Mag. Lunacek. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.43.13

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Präsidentin! Als Kollege Bösch hier dafür eingetreten ist, eine Verfassungsänderung vorzunehmen, mit der eine Volks­abstimmung in der Form abzuhalten wäre, dass zuerst die Regierung unterschreibt und es dann eine Volksabstimmung gibt, habe ich mir gedacht: Seltsam, heute Vormittag war Kollege Bösch von den Freiheitlichen nicht am Wort! Und ich habe mich dann daran erinnert, dass er auch Mitglied des Konvents war, und aus dieser Zeit, nämlich vom August 2004, gibt es ein Zitat von ihm aus der Parlamentskorrespondenz, wo es heißt: Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch äußerte sich ebenfalls positiv zur neuen Europäischen Verfassung. – Diese Verfassung enthielt mehr als dieser Reformvertrag. Und: Er sprach sich dennoch für eine Volksabstimmung darüber aus. Und da heißt es: Wünschenswert wäre seiner Meinung nach eine europäische Volksabstimmung.

Am 11. Mai 2005 gab es einen Antrag hier im Parlament von der Koalition ÖVP/frei­heitlicher Klub – damals war es noch nicht klar, wie das genau ist, wer da BZÖ und wer FPÖ ist –, und zwar einen Antrag der Abgeordneten Scheibner, Bösch, Molterer und Fasslabend betreffend europaweite Volksabstimmung.

Auch die damals noch freiheitliche Abgeordnete Bleckmann äußerte sich am 11. Mai 2005 dazu und meinte: Ja zu einer europäischen Volksabstimmung! (Abg. Dr. Bösch: Das schließt eine nationale nicht aus!)

Ich weiß, die Freiheitlichen haben in der neuen Formation, wie sie jetzt hier sind, ihre Meinung grundlegend geändert – anscheinend auch Sie, Herr Kollege Bösch. Sie meinen, es hat jetzt alles nur mehr auf nationaler Ebene zu erfolgen, und sind auch der Auffassung: Eine nationale Volksabstimmung muss her!

Ich glaube, Sie haben die Punkte, die Sie hier genannt haben, völlig übersehen, etwa den Vorrang des europäischen Rechts. Es gab 1994 schon eine Volksabstimmung, und die ging aus – ich weiß nicht, wie Sie damals abgestimmt haben – für den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union. Damals war klar, dass Österreich, um in der Europäischen Union mit dabei zu sein und mitgestalten zu können, auch einen Teil seiner Souveränität aufgibt. Das hat sich seit damals nicht geändert. Das wird jetzt nicht durch den Reformvertrag neu eingebracht.

Zu Ihrem Argument des Verlusts der immerwährenden Neutralität, das Sie hier vor­bringen: Herr Kollege Bösch, glauben Sie das wirklich? – Das stimmt nicht. Österreich wird die Neutralität weiterhin behalten, kann sich auch weiterhin darauf berufen. Wir haben dieses Recht und diese Möglichkeit auch mit dem neuen Reformvertrag. – Das zu den inhaltlichen Punkten. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Sie jetzt eine nationale Volksabstimmung über den neuen Reformvertrag wollen, dann muss ich sagen: Wir haben einfach Erfahrungen damit, was nationale Volks­abstimmungen zu Themen bedeuten, wo eigentlich das europäische Volk befragt werden sollte.

Herr Kollege Bösch, Sie haben heute Vormittag heftigst dagegen protestiert, dass es so etwas wie ein europäisches Volk gibt. (Abg. Rosenkranz: Nein, das gibt es nicht!) Na klar gibt es das! Wir alle sind Europäer und Europäerinnen, sonst hätten wir auch die europäische Fahne hier nicht hängen, was heißt, dass wir als Österreicherinnen und Österreicher Teil von Europa sind. Wenn Sie das nicht sein wollen, dann tut es mir leid. Wir sind es! (Abg. Dr. Bösch: Das eine schließt das andere nicht aus!)

Von uns Grünen gibt es keine Zustimmung zu einer nationalen Volksabstimmung über den Reformvertrag, weil diese nur von Leuten wie Ihnen, die rein nationalistischen


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