Schwerpunkt der Debatte war natürlich die Verfassungsfrage, und gerade in Bezug auf die Verfassungsfrage sagen alle namhaften Verfassungsjuristinnen und -juristen eines: Es ist legitim und richtig, dass das Parlament diesen EU-Vertrag ratifiziert. (Abg. Strache: Das sagt der Klecatsky nicht! Der sagt das Gegenteil!) Es gibt dadurch keine Gesamtänderung der österreichischen Bundesverfassung, die eine Volksabstimmung notwendig machen würde. Es gibt keine Abtretung von Souveränitätsrechten, denn die Abtretung von Souveränitätsrechten, die durch den EU-Beitritt erfolgt ist, ist auch damals mit der Volksabstimmung am 12. Juni 1994 behandelt worden.
Es ist daher richtig, dass das österreichische Parlament diese Verantwortung heute hier wahrnimmt.
Wir alle, glaube ich, haben E-Mails bekommen, Diskussionen, Gespräche gehabt, in denen viele Menschen Sorgen, Befürchtungen und Bedenken geäußert haben. Und ich glaube, dass man viele dieser Bedenken, ja fast alle Bedenken durch echte Fakten entkräften kann. Man braucht nur nachzulesen, Zitate von Textstellen aus dem Reformvertrag lesen, und man sieht, dass vieles von dem, was Sie erzählen, Falschinformationen sind, und dass vieles, ja, fast alles, was Sie in diesem Zusammenhang erzählen, nicht einmal in diesem Reformvertrag drinsteht.
Fassen wir zusammen: Die Neutralität bleibt unberührt. Das hat selbst der Abgeordnete Scheibner hier bei der Podiumsdiskussion gesagt. (Abg. Scheibner: Aber sagen Sie auch, warum! Weil Sie sie abgeschafft haben!) Österreichs Souveränität bleibt erhalten. Die EU wird demokratischer. (Abg. Strache: Was ist da demokratisch, wenn wir Österreicher Rechte verlieren, ohne gefragt zu werden?!) Das Europäische Parlament wird gestärkt, und auch die nationalen Parlamente werden gestärkt. Es gibt das Bürgerbegehren als Möglichkeit der direktdemokratischen Mitbestimmung. Und es werden sogar Grundrechte, individuell einklagbare Grundrechte, inklusive sozialer Grundrechte geschaffen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)
Aber ich glaube, wir müssen auch sagen, die EU und dieser Reformvertrag sind nicht das Gelbe vom Ei. Man kann auch manches kritisch sehen an der Europäischen Union. Zum Beispiel wird es unsere Aufgabe sein, in Zukunft dafür zu kämpfen, dass diese Europäische Union eine Sozialunion wird. Allerdings brauchen wir für diesen Kampf auch den Reformvertrag, damit wir kämpfen können, dass sie eine Sozialunion wird.
Der Reformvertrag ist ein Kompromiss, aber als Kompromiss bringt er die Europäische Union einen Schritt weiter. Ich bin für alles, was die Europäische Union einen Schritt weiter bringt, auch wenn ich mir manchmal einen größeren Schritt wünschen würde. Aber auch der kleine Schritt ist ein Schritt in die richtige Richtung. Und daher, glaube ich, ist es richtig, dass wir heute diese Diskussion und Beschlussfassung im Parlament abführen, und ich hoffe sehr, dass wir es schaffen, heute hier eine fachliche, sachliche und eine von Argumenten getragene Diskussion zu führen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)
10.42
Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Dr. Schüssel zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.
10.42
Abgeordneter Dr. Wolfgang Schüssel (ÖVP): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ein kleines Schmunzeln sei mir gestattet zu den Schals der Freiheitlichen Partei: Entweder
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