Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll26. Sitzung, 16. Juni 2009 / Seite 83

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12.30.22

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Was uns hier vorliegt, ist ein Kompromiss; der Antrag hat ja anders gelau­tet. Ich werde dem Kompromiss zustimmen, weil er natürlich besser ist als nichts, gebe aber schon zu bedenken, dass auf unsere, auf meine Initiative hin eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet wurde, die über ein Jahr lang sich traf, diskutierte, evaluierte und im Sommer 2006 einen Bericht vorgelegt hat.

Der Bericht beschreibt die Situation des Ist-Zustandes und beschreibt, wie weit die ein­zelnen Bundesländer und ihre Einrichtungen vom Soll-Zustand – der wurde auf Basis von 2013 berechnet – entfernt sind. Da hat sich gezeigt, dass in manchen Bundes­ländern nicht einmal 20 Prozent des Soll-Zustandes erreicht wurden – nicht einmal 20 Prozent! Am besten war der Erfüllungsgrad immer bei der Freiwilligenarbeit, dort, wo es das Land nichts kostet, dort, wo auch der Bund und die Kassen nichts zu zahlen haben.

Das ist der Dammbruch, der notwendig wäre, nämlich hier zu erkennen, dass das, was wir jetzt haben, wieder eine Evaluierung ist! Und drei Jahre später, was werden wir sehen? – Es ist in drei Jahren einiges geschehen, aber viel zu wenig, das werden wir wissen. Und dann kommt erneut die Frage: Wer regelt dieses System?, oder glauben Sie wirklich, dass es vom Meldezettel, vom Meldeschein eines Sterbenden abhängen soll, in welcher Qualität, in welcher humanen Umgebung und Betreuung er oder sie zu sterben hat, oder vom Gutdünken eines Landeshauptmannes, von seinem persönli­chen Schatzkästchen des Budgets, oder von den Sternsingern oder von den Casinos Austria? – Also ich finde das unerträglich, und mir fehlt da langsam die Geduld! Es bleibt mir nichts anderes übrig und hin und wieder muss man eben lieb und nett sein, damit man überhaupt etwas bekommt, aber ich bin nicht gern lieb und nett!

Sterbende schreiben keine Beschwerdebriefe, das weiß ich schon, und Angehörige regen sich nicht gern Monate danach noch darüber auf, unter welchen Bedingungen ihre Verwandten sterben mussten. – Und es gibt so viele gute Projekte nicht nur der Caritas Socialis, auch der Diakonie und anderer Freiwilligenorganisationen, wie dem Roten Kreuz oder dem Dachverband der Hospizbewegung, die haben Pläne!

Was passiert in Tirol? Ich nenne nur ein Beispiel meines Bundeslandes: Dort fängt man jetzt an, ein Pilotprojekt im Außerfern zu machen – ein Versuchsprojekt! Solche Versuchsprojekte gibt es unzählige auf der ganzen Welt, auch in Österreich. Dieses Versuchsprojekt soll drei Jahre lang dauern, das heißt, in drei Jahren dürfen wir wieder nachfragen: Machen wir das oder machen wir es nicht? – Das stinkt mir!

Ich habe schön langsam zur Kenntnis genommen, dass sich Wohlhabende eine bes­sere, eine schnellere, eine bequemere Medizin leisten können. Und dass sich Wohlha­bende auch gleichzeitig ein humanes Sterben finanzieren können, das sei, wie es sei – aber dass es andere nicht können, finde ich erbärmlich. Und es ist auch ein Aberwitz des Föderalismus, dass, wenn ich im Krankenhaus liege, ich, so zynisch es klingt, umsonst sterbe, will ich aber zu Hause sterben, wo 90 Prozent der Sterbenden ihr Ende verbringen wollen, zahle ich das de facto, wenn es nicht über Spenden getragen wird, selbst. Die Qualität des Sterbens zahle ich mir selbst, und dieses Geld haben die wenigsten Leute!

Also ich wünsche mir Folgendes: Das kostet 110 Millionen €, und bis jetzt wurden schon an die 40, 50 Millionen investiert; das heißt, es kostet, um in Tirol 100 Prozent der Versorgung zu erreichen, ungefähr so viel wie der Rückbau des Fußball-EM-Sta­dions auf den Status quo ante – und das muss drinnen sein! Anderes lasse ich mir hier nicht mehr erklären. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Kickl.)

12.34

 


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