Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung / Seite 268

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20.22.488. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch (StGB) geän­dert wird (954/A)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Ing. Hofer. Eingestellte Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


20.23.11

Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Mir ist sehr wohl bewusst, wie brisant dieses Thema ist, dieser Antrag, den wir behandeln werden. Wir sind als Politiker, wenn es um Behindertenpolitik geht, mit vielfältigen Formen von Diskriminierung konfrontiert und versuchen Diskriminierungen hintanzuhalten. Es geht um Nachteile für behinderte Menschen am Arbeitsplatz, in der Schule, in der Schulausbildung, bei Bauten, wenn barrierefrei gebaut werden sollte, und auch beim Zugang zum Internet.

Die massivste Form der Diskriminierung ist es aber, wenn man aufgrund einer Abwei­chung von einer medizinischen Norm nicht geboren werden darf, meine Damen und Herren. Die Fristenlösung gilt in Österreich nicht für behindertes Leben. Wenn die Ge­fahr einer Abweichung von einer medizinischen Norm besteht, darf ein Kind auch noch im neunten Monat abgetrieben und getötet werden. Und Behindertenorganisationen kritisieren sehr massiv, dass es keinen Katalog gibt, der festlegt, welcher Art diese Ab­weichung von der medizinischen Norm sein muss – oder die Gefahr der Abweichung, so muss man eigentlich sagen, denn es muss ja lediglich die Gefahr einer Abweichung bestehen –, welcher Art diese Gefahr der Abweichung sein muss, damit eine derartige Tötung von Leben unmittelbar vor der Geburt noch erlaubt ist.

Ein bekannter Mediziner hat in diesem Zusammenhang erzählt, dass ihm mehrere Fäl­le bekannt waren, wo Kinder vor der Geburt durch Herzstich getötet worden sind, durch eine Spritze ins Herz. Diese Kinder sind dann noch zur Welt gebracht worden und dann elendiglich zugrunde gegangen.

Es haben sich wahrscheinlich auch bei Ihnen Menschen gemeldet, die sich zu diesem Antrag geäußert haben. Bei mir waren es vor allem behinderte Menschen, die sich ge­meldet haben und die unter diesen Umständen niemals auf die Welt gekommen wären. Es waren aber auch Eltern, viele, viele Eltern behinderter Kinder, die unterstrichen ha­ben, wie wichtig eine Umsetzung dieses Antrages ist, und die unterstrichen haben, dass ihr Kind kein Schadensfall ist und dass ihr Kind kein unwertes Leben darstellt. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir müssen uns die Frage stellen, warum es so sein muss, dass eine Tötung fünf Mi­nuten vor der Geburt in Österreich legal ist, eine Tötung wenige Sekunden nach der Geburt hingegen nicht legal ist. Ich glaube, dass wir als entwickelte Gesellschaft in der Lage sein müssen, hier eine Änderung vorzunehmen, eine gerechte Änderung, die si­cherstellt, dass behindertes Leben nicht als Schadensfall betrachtet wird, dass behin­dertes Leben gleichwertiges Leben ist und dass hier auch im Rahmen der Fristenlö­sung letztendlich gleiche Möglichkeiten für behindertes Leben bestehen müssen wie für Leben, das frei von einer körperlichen oder geistigen Behinderung ist – oder weitge­hend frei, denn jeder ist in irgendeiner Form mehr oder weniger behindert.

 


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