Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung / Seite 131

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15.12.48

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Angesichts der Diskussion, die wir, glaube ich, vor drei Stunden bei der Einwendungs­debatte geführt haben, denke ich mir, dass wir recht gehabt haben mit dieser Tages­ordnung, weil so intensiv, wie über Europa jetzt diskutiert worden ist, in diesem Haus schon lange nicht mehr diskutiert worden ist. Ich danke dem Herrn Bundesminister für diese Erklärung, dass wir jetzt auch die Möglichkeit haben. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ. Abg. Scheibner: Die Problempunkte kommen ja erst!)

Diese Europäische Union ist natürlich – und auch der Rat, der in den nächsten zwei Tagen stattfinden wird – unter dem Einfluss der Wirtschaftskrise, wir brauchen uns nichts vorzumachen. Die Europäische Union hat eine Bewährungsprobe bestanden. Die Europäische Union hat in der Krise richtig reagiert: mit dem Rahmen für die Ban­kenstabilisierung, mit dem Rahmen für die Konjunktur- und Aufschwungpakete und mit dem Instrument der Europäischen Zentralbank.

Aber es muss genauso klar sein, meine Damen und Herren, dass die nächste Bewäh­rungsprobe der Europäischen Union eigentlich vor uns steht, ja, wir sind mitten drin. So gesehen gebe ich OeNB-Gouverneur Nowotny hundertprozentig recht, wir sind nicht im Jahr eins nach der Krise, sondern wir sind im Jahr drei der Krise. Niemand kann heute sagen, die Krise sei vorbei – wer das tut, handelt unverantwortlich –, sondern die eigentliche Aufgabe für diese schwierige Zeit der europäischen Bewährungsprobe, der wirklichen, liegt darin, dass wir jetzt, und das wird eine Aufgabe des Gipfels sein, auch in diesem Sinne die richtigen Schritte setzen.

Ich bin sehr dafür, dass wir diese Strategie „Europa 2020“ nicht nur diskutieren, son­dern auch umsetzen, aber dann durchaus auch mit der Offenheit – und ich bin sehr dankbar, dass das mit der Erklärung des Außenministers geschehen ist –, unsere Ziele wirklich zu hinterfragen. Ich meine, ganz trocken gesagt, 40 Prozent Akademikerquote klingt gut, aber wer kümmert sich um die ausreichende Quote von qualifizierten Fach­arbeitern, meine Damen und Herren? (Beifall bei der ÖVP.)

Gehen Sie hinein in die Betriebe und die Wirtschaft! Die werden Ihnen sagen, der qua­lifizierte Facharbeiter ist für den Exporterfolg gleich wichtig wie der Akademiker, der Meister ist gleich viel wert wie der Master. Es ist wichtig, dass wir uns auch darüber un­terhalten, wie die Mitgliedstaaten diese Ziele erfüllen. Was ist denn Lissabon? Es war wichtig, aber die Schwäche von Lissabon war, dass die Strategie auf dem Papier ge­standen ist, aber was in den Mitgliedstaaten geschehen ist, ist nicht ausreichend ge­prüft worden, auch nicht bei uns. Diese Frage der Governance-Regeln ist eine wichtige Frage, wenn wir über „Europa 2020“ reden.

Zweitens sollen wir über eine Stärkung der Währungsunion reden, meine Damen und Herren. Die gemeinsame Währung, der Euro, hat sich in der Krise bewährt, und wer hier herausgeht und das Gegenteil behauptet, sagt entweder bewusst die Unwahrheit oder er versteht nichts von der Sache. Ich bitte und empfehle zur Lektüre heute die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, Seite 8, wo Theo Waigel über die Bedeutung des Euros und der Währungsunion schreibt. Es ist lesenswert, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Aber genauso klar ist auch, dass die Maastricht-Kriterien nicht mehr genügen werden, es wird die Frage der Kohärenz der Wirtschaftspolitiken auf dem Prüfstand stehen. Heute früh im „Morgenjournal“ gab Norbert Walter, Chefökonom der Deutschen Bank, ein wunderbares Beispiel: Solange Europa so handelt, dass Frankreich die Spritpreise für die Frächter stützt und Deutschland eine Lkw-Maut einführt, so lange wird es nicht funktionieren.

Es wird notwendig sein, dass wir auch in der Frage des Beitritts neuer Länder zur Eurozone kein Auge zudrücken, sondern die Kriterien ganz scharf einhalten. Meine Da-


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