Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 102

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Präsident Fritz Neugebauer: Der eingebrachte Entschließungsantrag steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend notwendige Reform der Jugendwohlfahrt, eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 935/A der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Dr. Peter Sonnberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern, (93.) Sitzung des Nationalrates, XXIV. GP, am 20. Jänner 2011.

Der zentrale Leitgedanke des Jugendwohlfahrtsrechts ist die Beachtung und die Wah­rung des Kindeswohls.

Die Praxis zeigt aber, dass die Jugendwohlfahrtsträger (JWT) bei der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben überfordert sind.

Einerseits wird – wie zum Beispiel im Fall „Cain“, wo es mysteriöse blaue Flecken und Polizeieinsätze gegeben hat – auf handfeste Verdachtsmomente nicht reagiert.

So soll eine Angehörige der Mutter des Kindes die Jugendwohlfahrt mehrmals darauf aufmerksam gemacht haben, dass diese mit einem drogensüchtigen Mann liiert ist. "Es ist klar, dass der Mann völlig ungeeignet war, Kleinkinder zu betreuen", erklärte der Leiter der Jugendwohlfahrt im Amt der Vorarlberger Landesregierung, Werner Grabher. Kontakt wurde zwar aufgenommen, doch angeblich habe nichts auf mögliche Gewalt­taten durch Miloslav M. hingedeutet. "Wir werden alles unternehmen, um den Betrof­fenen bei der Bewältigung des Geschehens zu helfen", lautet die magere Erkenntnis der Jugendwohlfahrt.

Andererseits werden Eltern bzw. Elternteile bei der Wahrnehmung ihrer nach Art. 8 EMRK geschützten Elternrechte wegen unbedeutender Erziehungsschwierigkeiten oft grundlos jahrelang schikaniert. Eltern, die einmal beim JWT aktenmäßig erfasst sind und mag dies auch nur auf Grund einer Anzeige eines feindseligen Nachbars erfolgt sein, bleiben unter der Kuratel des JWT und haben praktisch keine Chance mehr, ihre Kinder nach eigenen Vorstellungen zu erziehen.

Eine falsche Anzeige eines Nachbarn reicht auch aus, dass der JWT im Kindergarten oder in der Schule oder im Wohnhaus Erkundigungen einholt. Eltern werden dadurch stigmatisiert, da die Bevölkerung zu Recht davon ausgeht, dass der JWT nur dann einschreiten darf, wenn das Kindeswohl gefährdet ist.

Dies ist aber in vielen Fällen nicht der Fall. Eine einheitliche Linie bei der Wahr­nehmung des Kindeswohls ist bei den JWT nicht erkennbar, sondern es wird je nach Befähigung und Motivation der Sachbearbeiter agiert bzw. reagiert.

Darüber hinaus gibt es kafkaeske Fälle, wo jüdischen Eltern vom JWT vorgeworfen wird, dass sie den Kindern keine christlichen Weihnachtslieder beibringen.

Auch lässt man den Eltern keinen Spielraum, wenn sie alternative Erziehungs­methoden anwenden wollen. Sobald die Eltern zu erkennen geben, dass sie dem JWT nicht „gehorchen“ wollen, wird ihnen die Einschränkung der Obsorge im Wege der Gerichte oder sogar die vorläufige Abnahme des Kindes angedroht. Die bestehenden gesetzlichen Regelungen (insb. § 176 und § 215 ABGB) reichen offensichtlich nicht aus, das Handeln des JWT auf eine rechtsstaatlich zufriedenstellende Ebene zu heben.

 


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