Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll135. Sitzung / Seite 87

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Herr Kollege Strache, finden Sie die Vergewaltigung an einer Frau weniger schlimm als an einem Kind? Beantworten Sie die Frage! (Abg. Strache: Sie wollen Kinder mit Erwachsenen gleichwertig bemessen!) Kollege Strache, können Sie die Frage beantworten? Beantworten Sie die Frage, ob eine Vergewaltigung an einer erwach­senen Frau weniger strafwürdig ist als an einem Kind. (Abg. Strache: Kinder haben sicherlich eine andere Wertigkeit als Erwachsene!) Gut, Kollege Strache findet, dass die Vergewaltigung an einer Frau weniger strafwürdig ist als an einem Kind. (Abg. Strache: So ein Unsinn! – Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Das hat er gesagt. Er hat meine Frage nicht beantwortet. (Abg. Strache: Absoluter Unsinn, den Sie da verzapfen! – Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wer über die Strafrahmenerhöhung diskutieren will, Frau Ministerin – das kann man –, der muss nachweisen, dass die Strafen zu milde sind, um genau diese Verschärfung umzusetzen und aufzuzeigen, dass die Gerichte keine Bagatellstrafen verhängen sollen. Sie bleiben allerdings genau das schuldig. Sie können uns nicht vorlegen, wie hoch die Strafenpraxis ist, und Sie können auch nicht begründen, warum Sie eine Erhöhung des Strafausmaßes wollen.

Meine Damen und Herren! Im Begutachtungsverfahren ist der Antrag unserer Frau Justizministerin „zerrissen“ worden. Dort heißt es: willkürlich und ohne empirische Grundlage. Selbst die Richtervereinigung, die der Adressat ist, sagt: „ die grundsätz­liche Problematik der Gewaltausübung gegen Minderjährige keinesfalls durch die singuläre Maßnahme der Erhöhung der Strafrahmen oder Einführung einer Unter­grenze erfolgversprechend behoben werden kann“, „flankierende Maßnahmen“ seien notwendig.

Genau da beginnt das Problem. Wenn man die Erhöhung von Strafrahmen als Kinderschutz-Paket verkauft, dann verkauft man ein Placebo. Man muss realistisch bleiben. Diese Straftaten sind schwere Straftaten, sie gehören nicht bagatellisiert. Wir wissen aber auch, dass höhere Strafrahmen allein keinen einzigen Täter von einer Straftat abhalten. Der Täter führt keinen inneren Dialog: Jetzt, weil die Justizministerin die Strafen erhöht hat, mache ich die Straftat nicht, wenn sie sie nicht erhöht, dann schon! Der Täter fragt sich etwas ganz anderes, nämlich: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich erwischt und verurteilt werde? Das ist entscheidend. (Abg. Ing. Westenthaler: Wieso wissen Sie das so genau?) – Das sagen alle sozio­logischen Studien. Diese kennen Sie natürlich nicht, Kollege Westenthaler, das weiß ich schon, und das merkt man auch immer wieder bei Ihren Ausführungen. – Das ist entscheidend für den Straftäter: Werde ich erwischt, ja oder nein?

Wie schaut es aus bei den Sexualstraftaten? – 90 Prozent aller Sexualstraftaten liegen im Bereich der Dunkelziffer, werden gar nicht aufgedeckt. 10 Prozent werden aufgedeckt, davon führen 2,5 Prozent zu einer Verurteilung. Das heißt, wenn man die Strafrahmen erhöht und glaubt, dass man damit einen wirksamen Schlag gegen Straftäter – bezogen auf Kinder – im Gesetz implementiert, dann reden wir über 2,5 Prozent aller Fälle. 97,5 Prozent aller Fälle berührt dieses Gesetz nicht, weil es zu keiner Verurteilung kommt. Und das halten wir für gefährlich.

Wir glauben, dass ein umfassender Kinderschutz bei Prävention ansetzen muss, weil dann auch erfolgversprechend für unsere Kinder etwas getan werden kann. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.55


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

 


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