Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll150. Sitzung / Seite 43

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10.41.54

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Wenn der Bildungssprecher der SPÖ meint, er sei kein Mann großer Worte, hat er soeben eigentlich das Gegenteil bewie­sen. Davon zu sprechen, dass das heute ein großer Tag für die Bildung in Österreich sei, ist einigermaßen vermessen – beziehungsweise: Ja, es ist ein großer Tag – aber für die Stillstandsbewahrer. Es ist ein großer Tag für den Kollegen Werner Amon. Es ist ein großer Tag für Fritz Neugebauer. Die ÖVP hat sich zu 100 Prozent durch­gesetzt.

Es ist das jedoch ein schlechter Tag für die österreichischen Kinder. Es ist ein schlechter Tag für den Wirtschaftsstandort Österreich. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es ist ein schlechter Tag für jene, die an einer sinnvollen Weiterentwicklung des österreichischen Bildungssystems interessiert sind. (Beifall bei den Grünen.)

Die ÖVP ist zufrieden, klar (neuerlicher Zwischenruf bei der ÖVP): Man hat das Türschild ausgetauscht – „Hauptschule“ herunter, „Neue Mittelschule“ drauf –, und schon ist alles in Butter. (Zwischenruf des Abg. Höfinger.) So einfach können Sie es sich nicht machen. Dass Sie nervös werden, verstehe ich, wenn man Ihnen die Wahrheit vorhält, aber es nützt nichts: Da müssen Sie drüber, und die Leute sehen das natürlich auch.

Natürlich, Frau Ministerin, ist es positiv, wenn man mehr Stunden an die Hauptschule gibt. Deswegen aber von einer Reform zu sprechen, das ist reichlich übertrieben. Es gab im vorigen Jahrhundert große sozialdemokratische Reformer: Otto Glöckel, Fred Sinowatz – schmählich unterschätzt in Ihren Reihen. Nehmen Sie sich ein Vorbild an ihnen, sie haben grundlegende Reformen durchgeführt. – Sie sind hier der ÖVP auf den Leim gegangen. (Zwischenruf des Abg. Elmar Mayer.) – Das Einzige, was funktioniert, Kollege Mayer, ist bei euch die Propaganda.

Wenn ich mit dem Zug von Bregenz nach Wien fahre – im railjet, der „Neue Mittelschule“ heißt, gesponsert durch das Unterrichtsministerium (Zwischenruf des Abg. Grosz – Abg. Dr. Rosenkranz: Der hat immer Verspätung!) –, dann sehe ich, was da drinsteht: Die Neue Mittelschule ist die gemeinsame Schule für alle Zehn- bis Vierzehnjährigen – eine glatte Propaganda-Lüge! (Ruf: Warum fahren Sie denn ?) Die gemeinsame Schule: Entscheidung über Schullaufbahn erst mit 14 statt mit 10 Jahren – glatte Lüge! Qualitätvolle Betreuung am Nachmittag – ist keineswegs überall garantiert!

Nur mit der Propaganda, meine Damen und Herren, kommen wir nicht weiter. (Beifall bei den Grünen.) Machen Sie Nägel mit Köpfen, machen Sie ordentliche Gesetze, gehen Sie ein auf das, was die Kinder wirklich brauchen und was unser Schulsystem so dringend notwendig hat!

Insgesamt ist das ein fauler Kompromiss. Wir haben vorhin gehört, die Anmeldezahlen seien gestiegen – im Burgenland, im übrigen Österreich (Ruf: Vorarlberg!) – und es brauche deshalb keine Evaluation. (Zwischenruf des Abg. Elmar Mayer.)

Kollege Mayer, die bisherigen Schulversuche sind so geführt worden, dass den Schülerinnen und Schülern und den Eltern garantiert worden ist, es werde nach dem AHS-Lehrplan unterrichtet. Genau das ist jetzt gestrichen. Genau diesen Punkt, den Sie den Eltern versprochen haben (Zwischenruf des Abg. Großruck), haben Sie herausgenommen – und täuschen.

Ich habe x Briefe bekommen, Mails bekommen von DirektorInnen der Neuen Mittel­schulen – etwa Ranshofen, aus Vorarlberg –: Wir fühlen uns getäuscht. Was soll ich den Eltern sagen, wenn sie mir jetzt sagen, ich hätte sie angelogen? – In diese Situation haben Sie Direktorinnen und Direktoren der Hauptschule gebracht. (Abg.


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