Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll157. Sitzung / Seite 91

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Geldaufnahme –, oder er muss das tun, was ihm das Programm jetzt vorschreibt: Steu­ern erhöhen und Ausgaben kürzen. Aber wenn es ihm gelingt, in angemessener Zeit, sodass auch die griechische Bevölkerung das versteht und er ihr das klarmachen kann, einen ausgeglichenen Primärsaldo oder einen Primärüberschuss zu erreichen, dann hat er jederzeit die Option, die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands zu erklären. Darauf müssen wir uns einstellen.

Das ist kein besonders böswilliger Akt, nebenbei gesagt, denn in diesem Punkt ist Herr Tsipras, der zwar einer neuen Linkspartei vorsteht, durchaus einig, Herr Bartenstein, mit dem „Economist“, der absolut der Meinung ist, das sei eine reine Phantasie, dass Griechenland seine Schulden wird zurückzahlen können, nämlich bei 160 Prozent Staatsschuldenquote jetzt und 120 Prozent vielleicht 2020, wie die Finanzministerin er­klärt hat.

„Whatever the make-up of its next government, the idea that Greece can repay this is the biggest fantasy of all.“ – Sie haben das auch gelesen, Herr Bartenstein. Also mit dieser Meinung ist Herr Tsipras nicht allein.

Ich rechne damit, dass Griechenland diesen Default erklärt, schlicht erklärt. Darauf müssen wir uns einfach einstellen. Man kann das als Notwehrhandlung interpretieren. Man muss sich darauf einstellen, was alles zu tun ist, damit das nicht die berühmt-be­rüchtigten Ansteckungseffekte auf Spanien, Irland, Portugal und so weiter hat. Das ist die wahre Aufgabe. Dafür brauchen wir vielleicht auch den ESM, den Sie auch bekom­men, wenn Sie nicht versuchen, das Parlament zu blockieren, Frau Finanzministerin. (Beifall bei den Grünen.)

Also ich finde, jenseits der ideologischen Befindlichkeiten muss man sich darauf ein­stellen: Griechenland war pleite, Griechenland ist pleite. – Dass es pleite war, wurde nicht zur Kenntnis genommen. Das ist die Phantasterei unserer europäischen Füh­rungspersönlichkeiten über zweieinhalb Jahre – sorry, tut leid. Man kann sich irren – es haben sich alle geirrt. Aber zweieinhalb Jahre später ist die Situation um kein Haar besser als damals im Frühjahr 2010. Das muss man einfach sehen, und irgendwann muss man einen Schlussstrich ziehen. Man kann nicht einem ganzen Volk, in diesem Fall Griechenland, zumuten, über mindestens zehn Jahre in einer wirtschaftlichen De­pression zu verharren, und glauben, dass das Volk das widerstandslos schluckt. Wa­rum auch? Wieso auch? Würde das österreichische Volk das machen? – Nein, mit Si­cherheit nicht! Würden die Deutschen das akzeptieren? – Nein, mit Sicherheit nicht!

Die Deutschen sollten sich einmal klarmachen, wie viele Schulden ihnen nach dem Zweiten Weltkrieg auf Initiative und mithilfe der US-Amerikaner erlassen worden sind, nämlich 90 Prozent des Sozialprodukts, 90 Prozent. Das wurde vollkommen verges­sen. Auch ich habe das vergessen, bis ich bei einer Tagung der Oesterreichischen Na­tionalbank von einem deutschen Vortragenden daran erinnert wurde. Das war Solida­rität damals, 90 Prozent des BIP! (Beifall bei den Grünen. – Bundesministerin Dr. Fek­ter: Die letzte Rate voriges Jahr bezahlt, die Deutschen!)

13.42


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner zu diesem Tagesord­nungspunkt ist Herr Abgeordneter Dr. Matznetter zu Wort gemeldet. 3 Minuten Rede­zeit. – Bitte.

 


13.42.37

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministe­rin! Ich bin Herrn Abgeordnetem Van der Bellen sehr dankbar dafür, dass er das ange­sprochen hat. Vielleicht noch ein wichtiges Detail dazu: Zu jenen Ländern, die verzich­tet haben, gehört neben Deutschland auch Griechenland, das sich – so viel zum The­ma – in keiner leichten Situation befand. Von deutschen Truppen besetzt, Aufbauar­beit, in der Folge ein Bürgerkrieg – und trotzdem Solidarität geübt!

 


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