Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll161. Sitzung / Seite 34

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Heute geht man überdies auch davon aus, dass im Verarbeitungsprozess des sexu­ellen Missbrauchs eine zeitliche Rahmenfrist für eine allfällige Anzeige auch deshalb wichtig sein kann, um das Erlittene endgültig abschließen zu können und nicht nach vielen Jahren die lange zurückliegenden und schmerzhaften Erfahrungen zum Beispiel für eine Beweisaufnahme wieder aufleben zu lassen. Also das ist auch sehr belastend, wenn man das noch einmal durchleben muss. Daher spricht auch aus der Sicht der Opfer die Gefahr der Sekundärviktimisierung gegen eine völlige Aufhebung der Verjährungsfrist.

Wobei man aber auch sagen muss, dass wir in den letzten Jahren eine Verbesserung für minderjährige Opfer sehr wohl vorgenommen haben: Mit dem Strafrechts­änderungsgesetz 1998 wurde ja die Zeit bis zur Erreichung der Volljährigkeit des zur Tatzeit minderjährigen Opfers bei bestimmten Sexualdelikten nicht in die Verjährungs­frist eingerechnet.

Ein weiterer wichtiger Schritt wurde mit dem Zweiten Gewaltschutzgesetz getan. Es wurde nämlich festgelegt, dass hier die Verjährung erst mit Vollendung des 28. Le­bens­jahres zu laufen beginnt.

Da haben wir also ohnedies vieles getan, aber, wie gesagt, gegen eine gänzliche Aufhebung der Verjährungsfrist sprechen die von mir genannten Gründe. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Grosz, bitte.

 


Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Ich bin über diesen Applaus und über Ihre Antwort wirklich erschüttert. Ich muss Ihnen klar widersprechen. Sie wissen ganz genau, dass manche Kinder erst nach zehn, 15 Jahren überhaupt über die erlebten Gräuel sprechen können und dann dank Ihrer Politik nicht mehr vor Gericht zu ihrem Recht kommen, dass die Täter überhaupt bestraft werden. Und das ist der Irrsinn.

Der zweite Irrsinn, in Anbetracht dessen ich langsam den Eindruck bekomme, dass die Justiz in unserem Land insgesamt die „Schutzmantelmadonna“ von Sexualstraftätern ist, besteht darin, dass seit 2007 fast 600 Sexualstraftäter durch Ihre Justiz vorzeitig entlassen wurden, und davon sind 47 rückfällig geworden, und zwar 17 sogar noch einschlägig. Wie können Sie das mit Ihrem Gewissen und mit Ihrer Politik überhaupt vereinbaren?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Ich habe darauf hingewiesen, dass wir die Verjährungsfrist ohnehin schon sehr weit hinausgeschoben haben. Sie beginnt erst mit Vollendung des 28. Lebensjahres zu laufen, und da besteht wirklich ausreichend Zeit, die Tat noch aufzuklären.

Was wir – wie gesagt – nicht wollen, ist, dass Menschen in Verfahren gehetzt werden, bei denen es keine Möglichkeit mehr gibt, das, was geschehen ist, aufzuklären, bei denen diesen Menschen falsche Hoffnungen gemacht werden und sie noch einmal alles aufarbeiten und letztlich erleben müssen, dass ein Freispruch aus Mangel an Beweisen stattfindet. Diese Sekundärviktimisierung in einem solchen Verfahren soll man meines Erachtens den Opfern nicht zumuten. (Abg. Brosz: Und was ist mit den vorzeitigen Entlassungen?)

Betreffend vorzeitige Entlassungen kann ich Ihnen sagen, dass damit wirklich sehr sensibel umgegangen wird. (Abg. Brosz: Rückfälle!) Es gibt nicht so viele Rückfälle. (Abg. Brosz: Ich habe Ihnen die Zahlen gerade genannt!) Wir haben hier gute Erfahrungen gemacht. Alles, was vorzeitige Entlassungen betrifft, wird sehr ernst genommen: Sie können sicher sein, dass genau geprüft wird, in welchen Fällen eine


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