Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll167. Sitzung / Seite 175

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mitbekommt, worum es geht? Wir müssen hier wirklich auch die Menschen in den Verhandlungen mit einer vollständigen Übersetzung informieren. Die müssen alles verstehen, worum es geht.

Stellen wir uns Folgendes vor: Könnten Sie hier im Parlament arbeiten, wenn Sie nur zusammenfassend, konsekutiv gedolmetscht bekommen oder zusammenfassende, kurze Informationen bekommen? – Das wäre unmöglich! Diese Arbeit wäre nicht zu machen. Wir brauchen volle Information, so wie ein Mensch sie braucht.

Und ich finde – noch einmal, Frau Ministerin –, es ist ganz wichtig, dass wir dieses Thema behandeln, wie wir in Zukunft auch bei Gerichtsverhandlungen bei so heiklen Themen damit umgehen. Es muss für alle Sprachen möglich sein, alles zu verstehen.

Ein anderes Thema – das kennen Sie wahrscheinlich schon –: blinde Richter und Rich­terinnen. In Österreich ist es für Blinde immer noch nicht möglich, das Richteramt zu bekleiden, denn bei uns gibt es die optische Urteilsfähigkeit und die Einschätzung und Beurteilung. Das ist in Österreich für Menschen, die blind sind, nicht zu machen.

In Deutschland wird das Richteramt aber sehr wohl von 60 blinden Richtern und Richterinnen bekleidet, und das ist schon länger so. In einer Zeitung gab es ein Interview mit einem Mann, der bereits 80 Jahre alt ist und beim Zivilgericht tätig war. Er hat es durchwegs geschafft – nur in zwei Fällen nicht –, zu urteilen, und zwar musste er in diesen Fällen den Fall abgeben. Es war also kein Problem, mit Modellbauten Nach­barschaftsstreite zu schlichten. Er hat also anhand der Fühltechnik gewusst, worum es geht.

Wichtig ist auch, dass dieses Bild geändert wird – Kollege Huainigg hat es bereits angesprochen –: Die Wahrnehmung von Menschen mit Behinderung, wie von ihm zum Beispiel, ist eine andere, als wir sie kennen. Wir sehen ihn täglich, wir wissen, dass er hervorragende Arbeit macht, und ich denke, der Gedanke, dass blinde Richter oder Richterinnen nicht arbeiten können, das muss sich ändern. Geben wir diesen Menschen eine Chance, auch in diesen Berufen Fuß zu fassen!

Und besonders hier, im Hohen Haus: Blockieren wir nicht! Behindern ist heilbar! Schaf­fen wir ein Bewusstsein, dass es möglich ist, auch eine barrierefreie Gesellschaft, wo alle Menschen barrierefrei leben können, zu haben! – Danke. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

17.39


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grosz. – Bitte.

 


17.39.34

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Hohes Haus! Es ist in der Tat bedrückend und macht auch betroffen, dass wir im österreichischen Strafgesetzbuch Menschen zweier Klassen abgebildet haben, dass wir im Strafgesetzbuch zwischen wertvollerem Leben und weniger wertvollem Leben unterscheiden, dass wir im Strafgesetzbuch bei der Würde und Unantastbarkeit des Menschen unterscheiden zwischen den – wie volks­tüm­lich in den sechziger Jahren und davor gesagt wurde – Normalen und weniger Normalen, die man dann am Land noch irgendwo, volkstümlich gesagt, „verräumt“ hat.

Dass das im Jahr 2012 nach wie vor im Strafgesetzbuch steht und es bei sexuellem Missbrauch diese Unterscheidung gibt, ist eine Schande für unser Justizsystem. (Beifall beim BZÖ.)

Ich danke daher Kollegin Jarmer, dass Sie diesen Antrag eingebracht hat.

Ich danke daher auch dem Kollegen Westenthaler, dass er in diesem Bereich in den letzten Jahren, auch in den vorigen Legislaturperioden, mehrfach Anträge eingebracht hat.

 


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