Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll206. Sitzung / Seite 190

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schaftliche Debatten darüber losbrechen, dass demokratische Entscheidungen, die mit riesigen Mehrheiten gefällt werden, zu Milliardenklagen, die auch erfolgreich abge­schlossen werden, führen können.

In Tschechien wurde die Solarabgabe auf über 20 Prozent erhöht. Unternehmen, die bereits investiert hatten, haben, glaube ich, über 14 Milliarden von der tschechischen Regierung eingeklagt. In Brasilien wurden ähnliche Fälle bereits positiv für die Kläger entschieden. Da ging es um die Privatisierung der Wasserversorgung in einer Stadt. Nachdem der private Investor die Wasserpreise um 50 Prozent erhöht hatte, gab es dort blutige Aufstände. Als man die Privatisierungsentscheidung demokratisch zurück­nahm, war Brasilien, war der Staat mit Milliardenforderungen konfrontiert.

Daher bitte ich darum, dass wir unsere Investitionsschutzabkommen, die meistens besser als in anderen Staaten ausgestaltet sind, in Hinkunft insbesondere darauf hinter­fragen, ob wir Schiedsgerichte statt der Verfassungsgerichte über demokratisch legitimierte Entscheidungen stellen und stellen wollen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.08


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Becher. – Bitte.

 


18.08.37

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Einrichtung des Bundesverwaltungsgerichtes sowie der neuen Landesverwaltungsgerichte stellt sicherlich eine der großen verfassungs­recht­lichen Reformen der jüngsten Zeit dar. Notwendig in diesem Zusammenhang ist auch das heute zu beschließende Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz für den Justizbereich. Grundidee dieser Reform ist, dass jede Verwaltungsbehörde erste und letzte Instanz sein soll. Gegen die von ihr erlassenen Bescheide kann als einziges Rechtsmittel – bis auf ganz spezielle Fälle – nach Art 94 § 2 B-VG eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Die Zielvorstellungen, wie die Beibehaltung einer möglichst kurzen Verfahrensdauer, Vermeidung zusätzlicher Gerichtsstreitigkeiten, Einführung einer bescheidförmigen Erledigung, sollen mittels dieses Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetzes umgesetzt werden. In budgetrelevanter Hinsicht, bedingt durch die Neuschaffung der Zuständigkeit des OGH in berufs- und disziplinarrechtlicher Angelegenheit, ist äußerst geringfügig mit zusätzlichem Mehrbedarf zu rechnen. Allerdings wird nach Schät­zungen des BMJ im Vergleich zur bisherigen Rechtslage durch Halbierung der Pau­schalgebühr für einstweilige Verfügungen mit Einnahmenausfällen von zirka 100 000 € pro Jahr zu rechnen sein. Weitere Ausfälle von 100 000 € jährlich werden durch den Entfall der Gebühren in Gewaltschutz- und Außerstreitsachen entstehen, die jedoch geringfügig kompensiert werden können.

Eines möchte ich jedoch kritisch anmerken – das hat unser Justizsprecher Jarolim im Ausschuss bereits festgestellt, und es ist heute auch vom Kollegen Fichtenbauer angesprochen worden –, dass nämlich in Disziplinarverfahren für Rechtsanwälte und Notare teilweise die Landesverwaltungsgerichte als letzte Instanz vorgesehen sind.

Wir betrachten das Ganze als nicht zielführend (Beifall des Abg. Dr. Jarolim), dass nämlich bei Bundesmaterien ein Landesgericht hereingeholt wird. Außerdem vertreten wir die Auffassung, dass angesichts der Mehrebenenproblematik der Rechtsmaterie eine Kompetenzzersplitterung möglichst zu vermeiden ist.

Diese teilweise Kompetenzverschiebung der Verwaltungsgerichtsbarkeit hin zu den Ländern wurde und wird sehr kritisch diskutiert, und ich denke, wir müssen die Ent-


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