Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll219. Sitzung / Seite 73

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Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Bitte. (Bundesminister Hundstorfer: Ja ja, der Kurt geht auch in Pension! Für ihn auch das letzte Mal! – Abg. Dr. Grünewald – auf dem Weg zum Rednerpult –: Es ist soweit!)

 


13.53.54

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Ja, es ist soweit, und was mich heute ein bisschen stört, ist: Es ist kein Vertreter der ÖVP mehr auf der Regierungsbank zu sehen. Ich frage mich, ob sie in einer Gemeinde sind, die Zukunft heißt. Auf jeden Fall sind sie nicht da.

Ich habe erfahren beziehungsweise musste mir sagen lassen, eine Dankes- oder Abschiedsrede ist nicht „dringlich“, und ich habe nicht so viel Zeit. Ich habe heute um 1 Uhr früh in Graz damit begonnen zusammenzuzählen, bei wem ich mich bedanken sollte. Bei 278 Personen müsste ich mich begründet bedanken, in etwa bei der gleich hohen Anzahl begründet und ausführlich, bei der gleich großen Anzahl nur begründet, und bei einer kleinen Gruppe finde ich keinen Grund, aber es gehört sich, also: allen ein Dankeschön. (Allgemeiner Beifall.)

Wir hätten heute über mehr Demokratie reden sollen, über, wie mir scheint, mehr Demokratie außerhalb des Parlaments, eine Art außerparlamentarisch-demokratische Opposition – APO hat das einmal geheißen. Ich würde aber ganz gerne über die Demokratie im Parlament reden, da fehlt mir nämlich einiges. Wie steht es mit der Demokratie hier herinnen, mit der Emanzipation und dem freien Mandat von Abgeordneten? Da schaut es nicht so wahnsinnig rosig aus.

Wenn ich – nicht von allen Bundesministern und Staatssekretären, aber doch von vielen – immer wieder diese Gigantomanie höre, indem sich nur „Meilensteine“ mit „Quantensprüngen“ abwechseln, Gehrer’sche „Weltklasse“, Töchterle’s „Elite“, dann hat man so das Gefühl, die Regierung hat eigentlich alle Weisheit und alles Wissen für sich gepachtet und der Opposition gehören kleine, noch nicht missionierte Heiden­kinder an, ausgesetzt den Schrecken des Eises und der Finsternis. So erlebe ich das nicht, und ich halte das auch nicht für einen wahnsinnig guten Ausdruck von Demo­kratie.

Ich kann mich erinnern, als Präsidentin Prammer die Budgetberatungen geleitet hat und für das Kapitel „Soziales und Gesundheit“ für drei Abgeordnete der Grünen eine Zeit von sieben Minuten zur Verfügung stand. Durch die Großzügigkeit meiner Kolle­gen Öllinger und Werner Kogler konnte ich die meiste Zeit in Anspruch nehmen, habe aber auch kritisiert, dass das keine Verhandlungen sind, keine Beratungen. In sieben Minuten die zwei fast größten Kapitel unter allen politischen Ressorts zu kritisieren, Vorstellungen zu entwerfen, das geht nicht. Demokratie braucht Zeit – und die Zeit fehlt uns. (Beifall bei den Grünen.)

Mich hat immer gestört, wenn in Ausschüssen, die meistens nicht viel länger als drei Stunden dauern, 25 Tagesordnungspunkte verhandelt werden sollten. Ich war immer Idealist und war der Meinung, in den Ausschüssen streiten, kämpfen, ringen die besten Spezialisten aller Parteien mühsam um die besten Gesetze. – Das stimmt nicht. Das braucht Zeit, und – eine Abschiedsrede ist für mich weder ein Vermächtnis noch ein Testament, es soll auch nicht pathetisch klingen – man sollte sich diese Zeit nehmen. Solche Ausschüsse sind sinnlos. Es ist auch dort schon alles abgekartet, nicht nur hier, es sind nur Gladiatorenkämpfe in einem spanischen Hofzeremoniell, die man halt macht. Die Uhr läuft, und es reden zehn Abgeordnete einer Partei zum selben Thema, aber nur wenige Minuten. So kann man nicht vernünftig debattieren, so kann man nicht vernünftig verhandeln. Das geht nicht.

Ich habe erlebt, dass neue Abgeordnete neuen Ministern nach drei Monaten Blumen bringen und sagen: Herr Minister, wie haben Sie es geschafft, sich in drei Monaten so


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